SWR4 Feiertagsgedanken
Heute ist der Tag der Arbeit, also kein kirchlicher Feiertag, und es gibt trotzdem einen christlichen Feiertagsgedanken hier in SWR4. Ganz so abwegig ist das aber gar nicht. Denn das Thema Arbeit und was damit zusammenhängt betrifft irgendwann jeden und prägt unser Leben stark. Auch meines und das vieler Menschen mit denen ich zu tun habe. Privat und als Pfarrer. Deshalb habe auch ich mir schon viele Gedanken übers Arbeiten gemacht.
Immer wieder bleibe ich dabei an einer Stelle hängen, die ganz am Anfang der Bibel steht. Dort, wo von den ersten Menschen die Rede ist; wie sie erst im Paradies gut leben, aber dann von dort vertrieben werden. Da heißt es: Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück[1]. Die Bibel sagt: Ich bin als Mensch frei. Ich kann zwischen Gut und Böse unterscheiden und mich demnach zwischen richtig und falsch entscheiden. Ich kann mich bemühen, die Ordnung zu akzeptieren, die Gott vorgibt oder mir die Welt so zurechtlegen, wie sie mir passend scheint, und dabei „über meine Verhältnisse leben“. Ich kann mich damit zufriedengeben, dass nicht alle Entscheidungen in meiner Hand liegen müssen; oder die Macht an mich reißen und im schlimmsten Fall ohne Rücksicht tun und lassen, was ich will. Adam und Eva lässt der verbotene Baum keine Ruhe. Sie essen davon und Gott verbannt sie aus seiner idealen Welt, dorthin, wo alles lebt, das er geschaffen hat. Von nun an werden sie, solange sie auf Erden leben, sich entscheiden müssen – und für sich selbst sorgen, mit ihrer Hände Arbeit, im Schweiße ihres Angesichts. Wer sein eigener Herr sein will, der muss auch was tun dafür.
Ich frage mich dann, ob ich meine Arbeit wirklich als eine „schweißtreibende Angelegenheit“ empfinde. Sonst würde ich kaum immer wieder an diesen Satz denken. Und ihn für passend halten, wenn es darum geht, übers Arbeiten zu sprechen. Ja, zu arbeiten ist anstrengend, es kostet Kraft und Zeit, auch wenn ich in meinem Beruf selten ins Schwitzen gerate; und wenn, dann nicht wegen übermäßiger körperlicher Aktivität. Aber auch die Arbeit eines Pfarrers kann mühsam und hart sein. Ich jammere nicht, wenn ich das sage, und ich beschwere mich auch nicht. Es ist schlicht eine realistische Beschreibung von Arbeit. Und manchmal denke ich: Wie schön wäre es, wenn ich wie im Paradies nichts tun müsste. Und andere auch nicht. Wenn es immer so wäre – wie heute.
ZWISCHENMUSIK
Heute ist Tag der Arbeit. Und das ist auch mein Thema heute am 1. Mai in den SWR4-Feiertagsgedanken.
Viele haben frei, können ausruhen von ihrer Arbeit. Und sich Gedanken machen, ob sie einen guten Beruf haben, gerecht entlohnt werden, oder ob sie unter den Verhältnissen stöhnen, weil sie schuften, aber kaum über die Runden kommen. Das nämlich dürfte nicht sein. Da sind sich Gewerkschaften und Kirchen einig. Wer arbeitet, soll nicht hungern müssen. Wir leben nicht (mehr) im Paradies. Ohne Arbeit geht es nicht. Unser ganzes Zusammenleben ist darauf ausgelegt, dass wir etwas leisten und produzieren. Wir sind auch als Arbeitende aufeinander angewiesen. Da gibt es kein Entkommen. Aber genauso, wie wir beim Arbeiten auf die anderen angewiesen sind, weil wir sonst nichts zu essen haben und keinen Arzt, der uns behandelt, genauso sollte jeder gut von seiner Arbeit leben können.
Ich übe meinen Beruf gern aus, und mir ist selten etwas zu viel. Meine Arbeit verstehe ich als wichtigen Teil meines Lebens. Ich schreibe gern Texte fürs Radio. Ich begleite auch gern Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen. Es macht mir meistens auch nichts aus, wenn es mal viel und anstrengend ist. Weil ich am Ende sehe, dass es einen Sinn hat, was ich mache und weil ich oft sogar gesagt kriege, dass es für andere hilfreich ist und nützlich. Das gehört für mich nämlich auch zum Arbeiten: dass es einen Sinn ergibt. Wie und was ich arbeite, gehört zu meiner Person. Es ist ein Teil meines Lebens, mit dem ich mich identifiziere. Ich bin auch durch meine Arbeit der, der ich bin.
Ich weiß, dass andere das nicht unbedingt so sehen. Sie zählen, wann sie endlich in Rente gehen können und quälen sich von Urlaub zu Urlaub durch ihre Arbeitstage. Ich weiß, dass Menschen so unter ihren Arbeitsverhältnissen leiden, dass sie krank werden: weil sie unangenehme Kollegen haben, weil sie zu viele Überstunden leisten müssen oder gnadenlose Vorgesetzte haben, die sie nur als Arbeitskraft sehen, nicht als Mensch. Das sollte nicht sein. Es ist schwer genug, dass wir arbeiten müssen, um zu überleben. Umso mehr Geduld und Phantasie sollten wir darauf verwenden, wie wir aus unserem Arbeiten etwas Gutes machen. Für uns selbst und für andere.
[1] Genesis 3,19
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39808