Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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01MAI2024
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Heute ist Feiertag. Viele können sich am Tag der Arbeit Zeit nehmen; um auszuruhen oder um sich an den Kundgebungen zum 1. Mai zu beteiligen. Ich möchte heute von Menschen erzählen, die sich bei ihrer Arbeit eine ganze Menge gefallen lassen müssen. Dafür aber nicht auf die Straße gehen.

Mir fällt ein Busfahrer aus Tübingen ein. Er erzählt, dass er alle Fahrgäste freundlich grüßt, wenn sie in seinen Bus steigen. Und ist schockiert, weil immer weniger Leute seinen Gruß erwidern. Er wünscht sich, dass die Leute auch ihn anschauen und grüßen, weil sie ihm so nah kommen in seinem Bus auch wenn es nur für ein paar Minuten ist.

Und ich denke an den Koch in unserer Schulmensa. Er kocht gerne. Kommt oft in den Speisesaal um zu fragen, ob es den Kindern schmeckt. Und muss dann zum Beispiel erleben, wie sich ein Junge den Quark vom Nachtisch ins Gesicht schmiert und Grimassen macht. Der Koch fragt ihn noch, warum er das tut. Aber der Junge streckt ihm nur die Zunge raus. Der Koch geht kopfschüttelnd in die Küche zurück. Eine Erzieherin sorgt immerhin dafür, dass der Junge den Koch um Entschuldigung bittet.

Oder die Sprechstundenhilfe in einer Arztpraxis. Sie hat alle Hände voll zu tun. Zwei Notfälle innerhalb einer Stunde haben den ganzen Behandlungsplan zerhauen. Einem der Patienten fällt nichts anderes ein als die Sprechstundenhilfe zu beschimpfen und ihr lautstark Vorwürfe zu machen. Weil er warten muss.

Mein Friseur erzählt, dass immer häufiger Kunden ihre Termine nicht absagen. Für ihn ist das verlorene Zeit und verlorenes Geld. Und aus meiner Autowerkstatt höre ich, dass es Leute gibt, die ihre Rechnungen monatelang nicht bezahlen.

Immer sind es Menschen, die für andere da sind, ihre Arbeit gut machen und dann unwürdig behandelt werden. Oft lassen sie sich das widerspruchslos gefallen. Ich finde es großartig, wenn sich andere dann einmischen und sich für sie stark machen, wie die Erzieherin in der Schulmensa. Aber ein freundlicher Gruß für den Busfahrer; ein Dankeschön für den Koch; mehr Verständnis für die Sprechstundenhilfe; Verbindliche Termine beim Friseur und die Rechnung für den Automechaniker nicht verschleppen – ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Und würde so viel ändern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39801
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