Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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08MAI2024
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„Ist Gott eigentlich ein Mann oder eine Frau?“, hat mein Neffe gefragt. Gleich kurz nach dem Aufwachen. Als Vierjähriger entdeckt er die Welt, fragt viel und will alles verstehen. Heute also: Wie soll er sich Gott vorstellen?

Für meine Nichte war die Sache eindeutig: „Pfrau“ hat sie blitzschnell gerufen. Mit ihren zwei Jahren war für sie entschieden: Gott ist eine Frau – wie sie selbst. Ist doch klar.

Mein Neffe hat sich mit der Antwort seiner kleinen Schwester nicht zufriedengegeben. Vielleicht hat er schon etwas davon geahnt, wie wenig Gott sich festlegen lässt. Auch in der Bibel nicht.

Die Bibel erzählt von Gott in vielen Bildern. Er ist ein mächtiger Herrscher, der Schöpfer der Welt. Gott ist es, der alles sieht und dem nichts verborgen bleibt, dem nichts unmöglich ist. Viele kennen dieses Bild von Gott. Und es tun gut. In einer Welt, in der wir es mit Krisen und Konflikten zu tun haben, kann es helfen, einen so mächtigen und starken Gott an seiner Seite zu wissen. Und auch wenn mein Leben ins Wanken gerät, tut es mir gut, zu wissen: Mein Gott ist kein hilfloser Gott, er stärkt und schützt mich.

Die Bibel findet aber noch mehr Bilder, um von Gott zu reden. Sie kennt Bilder, die voller mütterlicher Fürsorge und voller Wärme sind. Da heißt es: Gott ist wie eine Henne, die ihre Küken bewacht. Oder: Gott tröstet uns, wie einen seine Mutter tröstet. Auch dann, wenn es um die göttliche Weisheit geht, spricht die Bibel von einer Frau. Denn die Menschen zu biblischen Zeiten hatten bei „Weisheit“ ganz klar eine Frau vor Augen. Auch diese Bilder von Gott tun mir gut. Ich brauche Gott nicht nur mit seiner Stärke und Kraft, sondern auch mit all ihrer Weisheit und Geborgenheit.

Dass die Bibel so unterschiedliche Bilder von Gott zeichnet. Das macht mich frei: Gott ist vielfältig. Wenn schon die Bibel kein eindeutiges Bild von Gott hat – dann muss auch mein Bild von Gott nicht eindeutig sein. Ich muss Gott nicht auf ein Geschlecht festlegen. Gott ist nicht Mann oder Frau – Gott ist wie eine Kraft, die meinen Verstand übersteigt und sich nicht klar festlegen lässt. Mit Kindern wie meinem Neffen und meiner Nicht diese Freiheit im Glauben zu entdecken, das macht mir Spaß und bedeutet mir viel.

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