Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09APR2024
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Vor ein paar Jahren war ich Teilnehmerin bei einer Gesprächsrunde von Pfarrerinnen und Pfarrern. Wir haben uns über das Bild von uns selbst ausgetauscht – über unser Selbstverständnis in unserem Beruf. Und kaum hatten wir angefangen, ging es auch schon los, und die eine hat berichtet, wie unzufrieden sie mit ihren Predigten im Gottesdienst ist. Der nächste: wie er bei Beerdigungen manchmal einfach nicht die richtigen Worte findet. Und der wieder der nächste, wie sehr er unter Zeitdruck steht… Der Leiter unserer Runde hat sich das leise lächelnd eine Weile angehört. Und dann gesagt: „Aber verehrte Kolleginnen und Kollegen – wir sind doch als Christen alle gerechtfertigt.

Ich habe das nie vergessen – auch nicht, wie mich dieser Satz damals aus meinen fest eingefahrenen Gedanken herausgerissen hat. Eine der zentralen Aussagen des christlichen Glaubens: Ich bin gerechtfertigt.

Damit ist nicht gemeint: Wenn ich Mist gebaut habe, dass ich dann eine Rechtfertigung parat habe wie: „Mein Wecker hat nicht geklingelt“ oder „Bus verpasst. Selbst wenn es stimmt und mir wirklich etwas in die Quere gekommen ist und ich deshalb eine Sache nicht ordnungsgemäß erledigen konnte. „Ich bin gerechtfertigt“ meint nicht, dass es einen Grund dafür gibt. Sondern gemeint ist: Ich habe Christus an meiner Seite – und der rechtfertigt mich.

Diesen zentralen Glaubenssatz hat der Leiter unserer Gesprächsrunde von Pfarrerinnen und Pfarrern mitten hineingestellt in unser Nachdenken über uns selbst – und man konnte förmlich spüren, wie fast augenblicklich die Atmosphäre eine andere geworden ist. Als hätte jemand das Fenster geöffnet und frische Frühlingsluft hereingelassen. Als wäre der Druck auf der Schulter eines jeden einzelnen von uns auf einmal weniger geworden.

Ich bin gerechtfertigt. Weil ich getauft bin und zu Christus gehöre. Und der ist mein Fürsprecher vor Gott und lässt mich Mensch bleiben – mit allen meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten. Es wird mir trotzdem immer zu schaffen machen und niemals egal sein, wenn ich wieder einmal einen Termin vergesse, eine Aufgabe nicht pünktlich erledige oder sonst hinter dem zurückbleibe, was andere zu Recht von mir erwarten können. Aber gerade dann tut es mir gut, wenn ich mich an die Stimme meines Kollegen von damals erinnere: „Frau Wurz, vergessen Sie nicht: Sie sind gerechtfertigt.“

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