SWR3 Gedanken

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09APR2024
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„Ihr seid doch alle“. Manchmal hören Mails so auf, oder emotional hitzige Gespräche. Ihr seid doch alle: Nazis, Kinderschänder, Sozialschmarotzer, usw., usw. … Das Vokabular lässt sich beliebig erweitern. All das gibt es natürlich, aber eben nie pauschal. Wer zum Beispiel für die Kirche arbeitet rechtfertig dadurch ja nicht Kindesmissbrauch. Und wer von Bürgergeld lebt ist noch lange kein Sozialschmarotzer. Solche Plattitüden machen einem vielleicht das Leben leichter.  Sortieren die Welt einfach in Schwarz und Weiß. Am Ende aber führen sie nur in den Hass. Im schlimmsten Fall sogar in den Krieg. Wer etwa immer noch glaubt, in der Ukraine irgendwelche Nazis zu bekämpfen, dem ist nicht mehr zu helfen. Und die russischen Soldaten auf der anderen Seite sind auch keine außerirdischen Orks, sondern Menschen. So wie in jedem Konflikt. Gute, schlechte, fanatisierte, verpeilte, was auch immer. Aber immer Menschen.

Wo es nämlich keine Menschen mehr gibt, bleiben nur noch anonyme Hassobjekte. Und gegen die sinken Hemmungen viel leichter. Was dagegen hilft, auch in meinem Alltag? Vielleicht mal aufhören, sich gegenseitig runterzumachen. Dem Anderen zuhören, reden, miteinander streiten. Wenn‘s sein muss, auch heftig. Und zumindest versuchen, auch die Gegenseite zu verstehen. Klar ist das mühsam und auch ziemlich anstrengend. Viel anstrengender jedenfalls als tumber Hass. Trotzdem der einzige Weg den ich kenne, um halbwegs zivilisiert miteinander klarzukommen. Ob uns das irgendwann gelingt? Keine Ahnung. Aber ein bisschen Hoffnung ist ja erlaubt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39667
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