SWR2 Wort zum Tag

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10APR2024
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Von einem Freund habe ich eine Postkarte bekommen, die mir Gänsehaut gemacht hat: Auf der Vorderseite tanzt ein älterer Herr. Die Sonne scheint und eine kleine Band macht Straßenmusik. Viele Leute sind unterwegs, sitzen gemütlich auf einer Parkbank, essen Eis. Ein fröhlicher, entspannter Schnappschuss. Dann drehe ich die Karte um und lese: „Tanzender Mann in Lwiw, Ukraine“. Das ist ja krass!

Kann man in Lwiw auf der Straße tanzen? Wer hat denn dazu im Krieg überhaupt Lust? Und ganz grundsätzlich: solche Bilder aus einem Kriegsgebiet? In meinem Kopf sind die grau und trist.
Das Bild beeindruckt mich total. Es zeigt mir, dass Menschen stark sind, dass sie leben, überleben wollen. Trotz allem gibt es manchmal Grund zum Tanzen. Vielleicht können die Menschen in der Ukraine es nur wegen solcher Momente schaffen.
Das Bild macht mir klar: es geht nur zusammen. Und das bringt mich zu einer meiner Lieblingsbibelstellen, der Schöpfungsgeschichte. Das, was dahintersteckt, das ist es für mich: Wir Menschen sind auf der Erde um miteinander zu leben. Wir sind - biblisch gesprochen - Gottes Geschöpfe, deshalb fest mit Gott verbunden. Verbindung ist also in uns grundsätzlich angelegt. Und dadurch sind wir eben auch untereinander verbunden. Ich muss dabei immer an neugeborene Kinder denken. Die müssen versorgt werden mit Nahrung und Kleidern. Aber das genügt nicht, sie brauchen Ansprache: Menschen, die sich ihnen liebevoll zuwenden. Sonst gedeihen sie nicht.
Im menschlichen Leben geht es nicht ganz alleine - egal ob Partnerin, Nachbarn, Kumpels, Freundinnen, Stadt oder Land. Aber um gut zusammen zu leben, muss man sich an bestimmte Regeln halten. Was passiert, wenn diese Regeln nicht geachtet werden, sehen wir zum Beispiel im Nahen Osten, auch bei uns in Deutschland und eben in der Ukraine.

Und dann ist da trotz allem das Leben. Kleine lebendige Momente, die es Menschen irgendwie aushalten lassen. Die klar machen, dass es miteinander besser, schöner, bunter ist.
Der alte Mann tanzt, in Lwiw in der Ukraine. Ich hoffe, er tanzt immer wieder und immer noch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39610
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