SWR2 Wort zum Tag

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30MRZ2024
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Totenstille. Das verbinde ich mit dem Tag heute. Trotz aller Hektik, die vielleicht angesichts der Ostertage herrscht. Totenstille: Ein Karsamstagswort. Für den Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag, zwischen Tod und Auferstehung.

Totenstille. Ein Gefühl, das ich aus anderen Situationen kenne.

Erste Situation: In der Grundschule. Es ist eine meiner ersten Erinnerungen. Ich mache in der zweiten Klasse eine Bemerkung. Was ich sage? Keine Ahnung. Aber es war wohl aus der Kategorie „Erst gesprochen, dann nachgedacht“. Auf jeden Fall wurde es plötzlich totenstill. Ein peinlicher und beschämender Moment.

Zweite Szene: Nachts in der Kirche. Viele Jahre habe ich die Karwoche in der Jugendbildungsstätte eines Klosters verbracht. Die Nacht von Karfreitag auf Karsamstag verbrachten wir im riesigen Chor der romanischen Kirche. Dort befinden sich bis heute einige alte Gräber. Erkennbar an den steinernen Grabplatten im Fußboden. Eines der mittlerweile leeren Gräber war geöffnet. Drumherum tauchten einige Kerzen die Basilika in ein warmes Licht. Es herrschte Totenstille. Zeit, um über Tod und Leben nachzudenken. Ein berührender Moment.

Dritte Szene: In meinem Elternhaus. Mein Vater liegt im Sterben. Meine Geschwister und ich wechseln uns an seinem Bett ab. Wir halten Wache. Bis früh am Morgen. Und dann höre ich plötzlich: Nichts. Es ist totenstill. Ein trauriger Moment. Was mich tröstet: Dass ich an seiner Seite sein durfte.

Totenstille. Das Wort steht für Situationen, in denen Wesentliches passiert. Das gilt auch für den Karsamstag heute – ein Tag im Schwebezustand. Zwischen Karfreitag und Ostermorgen. Ein Tag ohne Gottesdienst. Die Kirchenglocken schweigen. Das Leben wird langsam.

Die Totenstille an diesem Tag trägt für mich viele Gesichter. Und kommt mir so nahe. Ich kann mich an die vielen Momente der Stille in meinem Leben erinnern. Und ich kann aus der Stille, die den Tod Jesu an diesem Tag umgibt, Kraft schöpfen. Ich spüre: Jede Stille kann mit Leben gefüllt werden. Kann sich ganz unverhofft wandeln. Indem ich mich erinnere. Indem ich sie mit anderen teile. Indem ich mich von ihr begleiten lasse.

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