SWR4 Abendgedanken

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18MRZ2024
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„Was mein Leben reicher macht“, so heißt eine Rubrik in der Zeitung „Die Zeit“. Leser und Leserinnen schicken eigene Texte ein und erzählen dort, was ihr Leben lebenswert macht. Und da habe ich vor ein paar Wochen Folgendes gelesen:

"Es ist nach Mitternacht, ich liege schon im Bett, als dieses mit einem Schlag in sich zusammenbricht. Nach dem ersten Schreck inspiziere ich den Schaden: Das Holz auf der rechten Seite ist gebrochen. Ich stabilisiere es mit Büchern. Eines fehlt noch, um das Bett wieder in die Waage zu bekommen. Ich lasse meinen Blick schweifen, er fällt auf die Bibel. Nach einigem Zögern lege ich sie auf den Stapel. Heißt es darin nicht: „Einer trage des anderen Last?“ Gestützt von Gottes Wort schlafe ich ein."[1]

Ist das nicht eine schöne Geschichte? Das kurze Zögern des Mannes verstehe ich: Darf man ein doch irgendwie „heiliges Buch“ so zweckentfremden? Ich finde: Ja, klar. Für uns Christen ist ja nicht das Buch an sich heilig. Es ist ein Buch. Ich arbeite tagtäglich damit. Streiche mir Sachen an. Knicke an wichtigen Stellen Eselsohren in meine Arbeitsbibel. In der Bibel erzählen Menschen, was sie mit Gott erlebt haben. Das ist eine wunderbare Quelle, um Gott nahezukommen. Aber: Heilig ist nur Gott selbst, nicht das Buch, das von ihm erzählt. Da kann es zur Not auch als Bettstütze dienen.

Und wie schön ist das Bild, das diese Geschichte in sich trägt. Der gute Mann schläft jetzt gestützt von Gottes Wort – zumindest im übertragenen Sinne. Auf die Idee ist er gekommen, weil in der Bibel steht: „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2), ein Zitat aus einem der Briefe, die der Apostel Paulus an die Gemeinde in Galatien geschrieben hat. Ja, wenn wir einander beistehen, uns gegenseitig helfen, dann werden wir gestützt, ganz praktisch. Ein Stütz-Wort! Und davon finden sich noch mehr in der Bibel. Für mich ist so ein Stütz-Wort zum Beispiel folgender Vers aus einem Gebet. Darin heißt es „Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum“ (Ps 31,9). Dieses Wort erinnert mich daran, dass Gott mir viel zutraut, mir einen Freiraum schenkt, in dem ich gestalten darf. Und mir tut es gut, von diesem Zutrauen Gottes zu mir zu wissen. Noch ein Stütz-Wort.

„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“, heißt es in einem anderen Psalm (Ps 119,105). Nach dieser Geschichte könnte man das ja fast abwandeln in „Dein Wort ist meines Bettes Stütze!“ Auch wahr, irgendwie. Und in diesem Sinne: Schlafen Sie gut heute Nacht! Gestützt von Gottes Wort.

 

[1] Aus: Die Zeit. Entdecken, „Was mein Leben reicher macht“, 4.1.2024, S.56.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39549
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