SWR3 Gedanken

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20MRZ2024
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Verwitterte Buchstaben, abgebrochene Verzierungen – kaum ein Grabmal, dessen Inschrift ich lesen kann. Bei meinem Rundgang um die Unikirche in Heidelberg bleiben die meisten der dort verewigten VIPs vergangener Zeiten also Unbekannte für mich.
Doch dann stehe ich vor einer intakten Sandsteintafel mit modernen Buchstabentypen. Problemlos lesbar.

„Finsternis ist nicht finster bei Dir“, steht da. Und dann eine Widmung.

Ich lese, dass die Universität Heidelberg diese Tafel vor rund 60 Jahren aufgehängt hat. Allen Angehörigen der Universität zum Gedächtnis, die im Zweiten Weltkrieg getötet wurden. Durch den Krieg, durch Unmenschlichkeit. 
Solche Tafeln gibt’s ja öfter. Aber noch nie habe ich eine gesehen, die diesen Satz als Überschrift hat: „Finsternis ist nicht finster bei Dir“. Das ist ein Satz aus einem alten biblischen Gebet, einem Psalm.
Mit diesem Satz wird aus der Gedenktafel eine Hoffnungstafel. Als Menschen kommen wir mit unserem Denken, Kämpfen, Lieben und Leben immer wieder an unsere Grenzen und können dann nur noch ängstlich ins Dunkle starren. Und für viele Menschen hat dieses Dunkel in diesen Zeiten wieder ganz unmittelbare Ausmaße. Sie leben in und mit dem Krieg.

Der Psalm macht eine andere Ebene sichtbar: Unsere menschlichen Grenzen sind für Gott keine Grenzen. Da geht niemand verloren. Da hat die Angst nicht das letzte Wort. Und erst recht nicht die Gewalt. Finsternis ist nicht finster bei dir bedeutet: Bei Gott wird aus Finsternis Licht.

Für mich ist diese jahrzehntealte Tafel mit dem noch viel älteren Gebetssatz plötzlich top aktuell. Und ich widme diesen Satz allen Menschen, die in unseren Tagen umkommen durch Krieg und durch Unmenschlichkeit. Finsternis ist nicht finster bei Dir, Gott. Und aus Tod wird Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39541
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