Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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15MRZ2024
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Vor kurzem hat jemand zu mir gesagt: Neidisch zu sein auf andere, das ist doch ganz normal. Vor allem als Kind, wenn man oft weniger hat und darf als andere. Da ist man doch traurig und möchte das auch! Die Frau, die das zu mir gesagt hat, hat es als Kind schwer gehabt. Kopfschüttelnd hat sie dann noch dazugesetzt: Dass Neid in der Kirche als Sünde gilt, finde ich gemein.

Seitdem habe ich mir über Neid Gedanken gemacht. Und es stimmt: Neid ist ein Gefühl, gegen das man sich kaum wehren kann. Es trifft einen, wenn es einem sowieso nicht gut geht. Und wenn man dann noch versucht, sich dieses Gefühl selbst zu verbieten, kann es einen erst recht ziemlich fertigmachen.

Wie sehr Neid Menschen bewegt, kann man schon in einer der allerersten Geschichten der Bibel sehen (1. Mose 4). Sie erzählt von zwei Brüdern, Kain und Abel. Der ältere, Kain, war Bauer, der jüngere, Abel, war Schäfer. Beide bringen Gott eine Opfergabe. Sie machen Gott sozusagen ein Geschenk. Aber dann heißt es in der Geschichte: Gott schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. Doch Kain und sein Opfer schaute er nicht wohlwollend an.

Die Menschen in biblischen Zeiten wussten, was damit gemeint ist: Nämlich, dass Abel mit seiner Arbeit erfolgreich war. Kain dagegen nicht. Unfair – aber leider eine Erfahrung, die es bis heute gibt: Beim einen gelingt fast alles, beim anderen wenig – auch wenn sich beide richtig anstrengen. Wer sollte da nicht neidisch werden?

Und so ist es auch in der biblischen Geschichte: Kain ist neidisch. Mehr noch: Er ist außer sich vor Neid und Wut. So sehr, dass er seinen Bruder schließlich umbringt.

Eine heftige Geschichte. Aber wenn man genau hinschaut, zeigt sie auch: Das eigentliche Problem ist nicht der Neid. Das Problem ist, dass Kain keine Möglichkeit findet, mit seinem Neid umzugehen – außer durch Gewalt.

Neidisch zu sein ist doch normal! Ja, das stimmt. Und mit „Sünde“ hat Neid nur deshalb zu tun, weil er gefährlich werden kann, wenn man ihn in sich hineinfrisst. Denn dann wird womöglich Hass daraus – und aus Hass Gewalt. Das zeigt die Geschichte von Kain und Abel. Dagegen hilft nur: Aufeinander achten und miteinander reden. Und nicht alles in sich hineinfressen, sondern sich beklagen über Ungerechtigkeit – bei Gott und anderen Menschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39504
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