Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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04MRZ2024
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Dass Künstler über Gott reden: Jahrhundertlang selbstverständlich. Michelangelo, Goethe, Bach. Die Liste lässt sich beliebig verlängern. Heute hat sich das geändert. Über Gott und den Glauben wird in der Kunst vor allem geschwiegen. Das ist ein Tabuthema. Jetzt hat Jon Fosse mit dem Tabu gebrochen. Fosse ist nicht irgendwer. 2023 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Doch der Katholik hat seine ganz eigene Art über Gott zu sprechen. In einem Interview hat er nämlich betont, dass er das Wort »Gott« gar nicht benutzt. Stattdessen spricht er von „irgendeiner Art von guter Macht.“ Warum er auf den Begriff Gott verzichtet? Fosse knüpft an eine ganz alte Tradition an, wenn er sagt: „Wir können nichts über Gott sagen. Er ist hinter den Dingen. Wir können nicht sagen, was war, bevor wir geboren wurden. Wir können nicht sagen, wohin wir gehen. Wir können nur sagen, dass wir früher nicht auf der Welt waren und dass wir irgendwann von hier verschwinden werden.“

Über Gott schweigen, das machen ganz viele Glaubende. Negative Theologie heißt das. Wir können nur sagen, was Gott nicht ist. Klingt erst mal paradox: Indem man sagt, was nicht ist, versucht man Gott näherzukommen. Fosse findet dafür ein starkes Bild. Es sagt: Wo wir Menschen vor unserer Geburt und nach unserem Tod sind, das ist die andere Seite. Und auf der anderen Seite, so glaubt Fosse, ist Gott. Glaube heißt bei ihm also: Mit dem umgehen, was man mit Worten kaum ausdrücken kann. Und zu wissen, dass es mehr gibt, als unsere Sprache erfasst. Dass das jemand sagt, der professionell und preisgekrönt mit Worten umgeht, gibt mir zu denken. Über mein Leben hinaus zu denken.

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