SWR1 3vor8

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03MRZ2024
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Von wegen sanft, von wegen friedfertig! Es gibt ein paar Geschichten in der Bibel, die fromme Christen vielleicht nicht so gerne erzählen. Weil sie einen Jesus zeigen, der so gar nicht zum Bild des immer sanften, lieben Menschenfreunds passt, das so gern gemalt wird. Die vielmehr über einen Mann berichten, der sich respektlos benimmt, ja, der sogar zu Gewaltausbrüchen fähig ist. So eine Geschichte ist zumindest heute in den katholischen Kirchen zu hören. (Joh 2,13-25). Erzählt wird, wie Jesus nach Jerusalem geht. Er will das jüdische Paschafest mitfeiern. Als er in den Vorhof des Tempels kommt, ist dieser, wie üblich zu dieser Zeit, voll mit Händlern, die alles Mögliche, vor allem aber Opfertiere anbieten. Die werden nämlich im Tempel gebraucht. Damals nichts Besonderes. Auch Jesus wusste das. Nur dieses Mal nervt es ihn offenbar ganz gewaltig. Im Tempel, so meint er, habe so etwas nichts verloren. Nicht mal im Vorhof. Es ärgert ihn so, dass er anfängt zu wüten. Er wirft die Stände der Händler um, macht sich sogar eine Geißel und drischt damit auf die Leute ein. Zugegeben, sympathisch und vorbildlich wirkt so ein Ausraster nicht gerade. Manche Gelehrten meinen, dass er mit dieser Aktion überhaupt erst in den Fokus der damaligen Behörden geraten sei. Als potenziell gefährlicher Unruhestifter.

Wie dem auch sei. Geschichten wie diese eignen sich hervorragend, um mit dem Finger auf Christinnen und Christen zu zeigen. Um zu sagen: Da habt ihr's doch! Derjenige, den ihr da immer als leuchtendes Vorbild hinstellt, war auch nicht besser als alle anderen. Für mich erscheint Jesus hier aber vor allem als Mensch. Einer wie Sie und ich. Einer, der Emotionen hatte, die auch mal mit ihm durchgegangen sind. Weil er für seine Sache zutiefst gebrannt hat. Und weil ihm dieser Ort der Begegnung mit Gott viel zu wichtig, ja heilig war, um auch als Platz für Geschäftemacher durchzugehen. Und das macht ihn für mich dann doch zum Vorbild.

Im kollektiven Gedächtnis ist letztlich auch nicht diese Episode hängen geblieben, sondern Sätze von ihm wie „Liebt eure Feinde und tut Gutes denen, die euch hassen“, oder „Selig die Sanftmütigen, denn ihnen gehört das Himmelreich“. Sätze für die Ewigkeit. Allein das schon spricht für sich. Und wie die Bibel es schildert, hat er das auch nicht nur gesagt. Er hat es gelebt und ist sogar dafür gestorben. Am Ende kommt es auf die Gesamtbilanz eines Lebens an. Jedes Lebens. Auch meines eigenen. Denn sie ist es, die vor Gott zählt, den Jesus liebevoll Abba, Papa, genannt hat.

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