SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

05MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich habe eine Narbe an einer Tür. Sie ist schon eine Weile da und jedes Mal, wenn ich sie sehe, dann erinnere ich mich daran, dass ich das gemacht habe.

Ich war wütend und habe auf die Tür geschlagen. Solange, bis das Holz gesplittert ist. Seitdem nenne ich es eine Narbe. Denn ich schäme mich für diese Narbe und jetzt darüber zu reden ist für ich immer noch beschämend. 

Und trotzdem will ich darüber reden. Denn ich glaube: viel zu oft wird Wut versteckt, nach dem Motto: Wenn niemand es anspricht, ist es auch nicht da. Meine Narbe an der Tür lehrt mich: Doch! Meine Wut ist trotzdem da.

In der Bibel gibt es diese Wutgeschichte: Kain erschlägt in der Wut seinen Bruder Abel. Gott verpasst Kain daraufhin das sogenannte Kainsmal. Eine Art Narbe, die soll ihn davor schützen, dass andere ihn angreifen. Ich stelle mir vor, dass sie Kain aber auch immer wieder daran erinnert hat, dass in ihm so viel Wut war, dass er seinen Bruder erschlagen hat.

Solche Narben tun weh, auch wenn bei mir nur eine Tür und nicht mein Bruder gelitten hat. Solche Narben sind einem peinlich. Mir jedenfalls. Weil sie von Wut und Gewalt erzählen, die in mir drin ist, dabei bin ich doch am allerliebsten ein angenehmer und lebensfroher Markus und keiner, vor dem man Angst haben müsste.

Und vielleicht ist das ein Weg zur Heilung, dass die Narbe eben bleibt, dass sie zu sehen ist. Und dass ich vor mir selbst und vor anderen zugebe: Doch, da ist auch Wut in mir und ich muss darauf aufpassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39434
weiterlesen...