SWR4 Abendgedanken

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12FEB2024
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Ich bin sowas von gar kein Faschingsnarr.

Ich mag mich nicht verkleiden, noch weniger in der Kälte am Straßenrand rumstehen und den Alkoholkonsum in diesen Tagen sehe ich auch ziemlich kritisch. Vielleicht wurde mir der Karneval oder die Fasnet oder wie auch immer, einfach nicht mit in die Wiege gelegt.

Trotzdem gebe ich zu: wenn ich zufällig einen Umzug im Fernsehen sehe, kann ich schon hängen bleiben. Oder wenn mir Freunde begeistert erzählen, wie sie sich in ihrer Zunft engagieren und was sie da für einen Zusammenhalt haben! Und die vielen Menschen, die an verschiedensten Orten heute und morgen unterwegs sind. Unzählige haben schon so lange und mit viel Herzblut Büttenreden, Sitzungen und Umzüge vorbereitet.

Auch wenn es gar nicht mein Ding ist, ich sehe schon, wie so viele, gerade heute, in diesen unfriedlichen Zeiten, friedlich und ausgelassen gemeinsam feiern.

Irgendwie mag ich Fasching also doch: Denn: Fastnacht, Karneval oder Fasching ist eine eigene Art von Demonstration. Und Demos sind wichtig.

So, wie es in der jüngerer Vergangenheit, jenseits des Faschings, genug Anlässe gab, warum Menschen auf die Straßen gegangen sind. Weniger freudig. Und mit keinen schmunzelnden, sondern mit sehr direkten Worten.

Ich denke da natürlich gleich an die vergangenen Wochenenden. Allein bei uns in Tübingen waren tausende unterwegs, um gegen Rechtsextremismus in unserem Land zu demonstrieren. Das waren Studierende und Professoren, Alte und Junge, ganze Familie waren da. Es war vielleicht ein bisschen weniger bunt, aber zum Teil lauter als so mancher Faschingsumzug.

Alle gemeinsam haben gezeigt, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern immer neu verhandelt und beschützt werden muss.

Gott sei Dank lebe ich in einem Land, in dem Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, gesetzlich verankert und geschützt.

Und genau deswegen dürfen Menschen hier offen auf der Straße ihre Stimme erheben. Und eben auch frei und friedlich zusammen Rosenmontag und Fastnachtsdienstag feiern. Das ist in vielen Ländern gar nicht möglich.

Natürlich ist mir bewusst, dass die Faschingsumzüge keine Demonstrationen sind. Aber die beiden haben doch etwas gemeinsam: Sie können etwas verändern, und zwar zum Guten hin.

Denn es geht heute und morgen bestimmt nicht nur darum, ausgelassen zu feiern, bevor die Fastenzeit beginnt. Es geht auch darum zu zeigen: dass Menschen sich nicht nur die Köpfe einschlagen oder sich abschieben wollen, sondern auch, dass sie so unglaublich gut zueinander sein können und einfach nur glücklich miteinander feiern.

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