SWR4 Sonntagsgedanken

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04FEB2024
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Beim Kreisel am Ortseingang von Bad Boll steht seit ein paar Wochen ein großes Schild. Bauern aus der Region haben es dort aus Protest aufgestellt. Darauf steht zu lesen: „Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber sie wissen alles besser.“ Politikerinnen und Politiker dürfen sich angesprochen fühlen. Als Besserwisser. Nach Meinung der Bauern haben die nämlich viele Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen, ohne dabei wirklich einen Einblick ins Tagesgeschäft eines Landwirtes zu haben. „Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber sie wissen alles besser.“

Dieser Protest-Spruch ist die pfiffige Abwandlung eines Bibelverses aus dem Matthäusevangelium. Da lenkt Jesus den Blick auf die Vögel unter dem Himmel und sagt: „Sie säen nicht, sie ernten nicht. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel.“ Kein Vorwurf, sondern eine Bitte um Gelassenheit: Auch wenn du kein Vöglein bist, sondern ein Mensch: Hab Vertrauen! Lass dich nicht von deinen Sorgen auffressen. Glaub mir: Für dich ist gesorgt!

Leicht gesagt. Aber wohl schwer zu hören für Menschen, die Angst haben um ihre berufliche Zukunft. Die sich fragen, woher sie das Geld nehmen sollen für alles, was immer nur teurer wird. Die nicht wissen, wo sie noch eine warme Mahlzeit herkriegen, wenn am Ende des Monats die Vesperkirchen im Land wieder schließen. Wenn der Winter geht, aber die Sorgen bleiben. Wenn der Bauer im Märzen seine Felder instand setzt und aussät und sich fragt, ob das, was er im Spätjahr erntet, seinen Hof noch am Leben halten kann. Im Bibeltext, über den heute in vielen evangelischen Gottesdiensten gepredigt wird, stellt Jesus so einen Bauern in den Mittelpunkt. Und erzählt Folgendes:   

Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern. Er streut die Körner auf das Land, dann legt er sich schlafen und steht wieder auf –tagaus, tagein. Die Saat geht auf und wächst –aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht. Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor. Zuerst den Halm, dann die Ähre und zuletzt den reifen Weizen in der Ähre. Wenn das Getreide reif ist, schickt er sofort die Erntearbeiter los, denn die Erntezeit ist da. (Markus 4, 26-29, Basisbibel)

Ich frage mich, was die Bauern wohl gedacht haben, die zu Jesu Zeiten ihre Felder am Ufer des Sees Genezareth beackert haben. Wahrscheinlich hätten sie doch am Ortsausgang von Nazareth auch ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift: „Er sät nicht, er erntet nicht, aber er weiß alles besser!“

Was trotzdem dran sein könnte an Jesu Gedanken und wie sie uns vielleicht zu mehr Gelassenheit in einer aufgeheizten Debatte verhelfen, davon gleich mehr.

In einem Gleichnis hat Jesus einmal behauptet, dass in der Landwirtschaft alles von alleine wächst. Das hört sich schräg an in diesen Wochen, in denen so viele Bäuerinnen und Bauern im Land mehr Wertschätzung für ihre lebenswichtige Arbeit fordern. Jesus verweigert ihnen diese Anerkennung nicht. Aber er stellt sie in einen größeren Zusammenhang, wenn er sagt: „Ganz von selbst bringt die Erde Frucht hervor.“ Das heißt doch: Ganz am Anfang der Nahrungskette steht nicht die landwirtschaftliche Arbeit, sondern die wunderbare Fähigkeit der Erde, Nahrungsmittel hervorzubringen. Nehmt diese Schöpferkraft wieder wahr und staunt darüber, dass die Erde Lebensmittel wachsen lässt. Davon leben wir. Das könnte uns dankbar und gelassen machen. Denn für diese Grünkraft der Erde ist von Gottes Seite her gesorgt. Sie wird auch nicht versiegen. Sie ist der Schöpfung eingeschrieben. Verlasst euch drauf. Bäuerinnen und Bauern dürfen sie in besonderer Weise hegen und pflegen und nutzen. „Sie pflügen und sie streuen den Samen auf das Land. Doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.“ Das spricht nicht gegen die Arbeit, die auf Feldern und in Ställen tagaus tagein geleistet wird. Es spricht aber alles dafür, den Blick gelegentlich doch auf die Vögel unter dem Himmel zu lenken. Und so einen Raum zu öffnen, der mancher Sorge Flügel verleiht.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39279
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