SWR3 Gedanken

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09FEB2024
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Armut hat viele Gesichter, sagt man, und es stimmt ja auch:
Bei uns im Stadtteil dreht morgens immer ein älterer Herr die Runde mit seinem Fahrrad. Er sammelt die Flaschen ein, die die Menschen liegen lassen oder in die Gegend schmeißen. Wen er genug Geld zusammen hat, bekommt es der Enkel.

Christine ist eigentlich ganz zufrieden, hat einen Job und eine nette Chefin, bekommt den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Sie kommt über die Runden. Aber groß sparen ist nicht drin. Und es darf halt nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommen. Sorge bereitet ihr das Auto. Sie braucht ein Auto für die Arbeit. Aber ihr Neffe, der ihr mit dem Auto hilft und es immer wieder repariert, hat gesagt, dass das nicht mehr lange gut laufen wird. Und dann?

Die Referendarin an unserer Grundschule macht sich gut. Schnell hat sie die Herzen der Kinder erobert, besonders das von Xenia. Vor ein paar Tagen hat Xenia ihre Hand genommen und ihr erzählt, dass sie morgen Geburtstag hat. Xenia hat von einem großen Geburtstagskuchen berichtet, den es geben wird, und von einem tollen Kinderfest.

Im Lehrerzimmer erzählte die Referendarin von Xenia. Die Klassenlehrerin schüttelte traurig den Kopf: „Davon träumt Xenia jedes Jahr. Aber es ist bei ihr Zuhause kein Geld für Kuchen und Feiern da.“ Die letzten Jahre hat sie, die Lehrerin, immer einen Kuchen mitgebracht. Damit Xenia wenigstens ein bisschen feiern kann. Die Referendarin und die Lehrerin gucken sich an. „Ich bringe morgen einen Kuchen mit“, sagt die Referendarin. Die Lehrerin lächelt: „Ich glaube, ich habe da noch ein paar Luftballons.“

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