SWR2 Wort zum Tag

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26JAN2024
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Gestern ist eine Studie veröffentlicht worden, die meine Kirche betrifft. Es geht um sexualisierte Gewalt und andere Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und der Diakonie. Was geschehen ist und wie das aufgearbeitet wird. Die Studie ist wissenschaftlich und unabhängig. Was sie alles zu Tage gebracht hat, das haben wir deshalb erst heute erfahren.

Gut, dass diese Studie nun vorliegt und dass die evangelische Kirche sie in Auftrag gegeben hat - immerhin und wenigstens etwas.

Menschen sind verletzt worden und teils jahrzehntelang nicht gehört worden. Hoffentlich werden sie jetzt gehört. Wenigstens das. Und hoffentlich bekommen sie von der Kirche jetzt das, was sie brauchen und zu Recht fordern.

Seit einiger Zeit gibt es in meiner Kirche und der Diakonie verpflichtende Schulungen, damit nicht immer wieder neu Menschen Gewalt erleben. Wenigstens das. Ich hoffe, dass wir aus den Ergebnissen der Studie weiter dazu lernen und immer wieder neu fragen: Schauen wir genug hin? Sind wir wirklich aufmerksam?

Ja – und wo sind wir womöglich immer noch blind? Wie ist die Kirche bisher mit den Tätern umgegangen? Wie tut sie es heute und was muss sich weiter verändern und verbessern?

Und auch die Frage nach der Studie selbst müssen und werden wir uns gefallen lassen. Ob sie umfassend genug ist und offen. Kirche und Diakonie werden Stellung beziehen.

Sexualisierte Gewalt gab und gibt es in der evangelischen Kirche. Spätestens seit heute ist das nicht mehr wegzureden. Solche Gewalt an vermeintlich sicheren Orten, bei und von vermeintlich guten Menschen, kann Leben zerstören. Kann so schöne Worte wie „Glaube, Liebe, Hoffnung“ unglaubhaft machen. Und die betroffenen Personen müssen sich hart zurück ins Leben kämpfen. Das kann so schwer sein. Und das Schweigen der Evangelischen Kirche kann das Herz richtig hart werden lassen, den Glauben tief drinnen begraben.

Wenigstens jetzt will meine Kirche dazu stehen. Und das ist nicht einfach das wenigste, das wir tun wollen – es ist das einzige, das jetzt und in Zukunft in Frage kommt: Hinsehen, Aufarbeiten und bereit sein, dazuzulernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39261
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