SWR1 Begegnungen

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28JAN2024
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Marcus Grünewald Copyright: Bistum Mainz/Hoffmann

… und mit Marcus Grünewald. Seit zwei Jahren ist er der Umweltbeauftragte des Bistums Mainz und der erste, der diese Aufgabe auch hauptamtlich übernimmt. Darin kommt zum Ausdruck, dass Umwelt- und Klimaschutz eben kein Neben-Thema mehr ist, sondern etwas, das drängt und das ins Zentrum gehört. Nicht nur, weil es der Gesetzgeber inzwischen so vorschreibt, sondern weil es für Christinnen und Christen selbstverständlich sein muss, die Schöpfung so gut es geht zu schützen, statt sie immer weiter zu ruinieren. Und da hat sich in den letzten Jahren offenbar Einiges zum Besseren verändert.

Also das Bewusstsein, dass wir handeln müssen, das ist da und da gibt es auch kaum noch Diskussionen darüber. Problematisch ist, wie überall: die Kolleginnen und Kollegen sind bis an die Grenzen der Belastbarkeit in Arbeit. Aber dieses: „Ja bleib mir vom Leib. Umweltschutz brauchen wir nicht.“ Das hat sich radikal geändert, das ist klar.

Nun weiß ich aber auch als Privatmann, dass wirksamer Klimaschutz nicht nur Arbeit macht, sondern auch richtig teuer sein kann und die finanziellen Spielräume der Kirchen werden gerade drastisch enger.

Bei den finanziellen Mitteln ist es einfach auch ein Rechenexempel. Wenn ich Photovoltaik installiere, dann muss ich in Vorleistung gehen. Aber die Einsicht, dass unser Handeln in fünf, zehn, 15 Jahren viel, viel teurer kommt, die ist da und trotzdem bleibt es eine Gratwanderung zwischen dem, was wir müssten und sollten und dem, was wir können.

Und wie kann ich mir das vorstellen, was ein kirchlicher Umweltbeauftragter so tut?

Mein Hauptauftrag ist die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes. Wir wollen bis spätestens 2045 klimaneutral sein und dieses Konzept in Aktionen, in Projekte zu übersetzen, das ist mein Hauptauftrag. Es gibt die Möglichkeit, besonders interessante Projekte zu Leuchtturmprojekten zu machen, die wir auch finanziell unterstützen. Und letztlich kann ich fachliche Kompetenz vermitteln. Und da kommt mir auch mein zweiter Arbeitsplatz an der TH in Bingen zugute. Da sitzt die geballte Fachkompetenz.

Denn seit vielen Jahren schon arbeitet er als Studierendenseelsorger an der Technischen Hochschule Bingen, wo sie unter anderem auch intensiv zu Umwelt- und Klimaschutz forschen.

Mir wird schnell klar, dass Marcus Grünewald keiner sein will, der mit erhobenem Zeigefinger rumläuft und andere damit nervt, was sie alles immer noch falsch machen.

Ich will mit allem, was ich tue, ein Angebot machen, und das ist eine Gratwanderung. Nicht zu viel, die Menschen auch nicht bedrängen, sondern immer wieder sagen: Ich mach dir ein Angebot, das du annehmen oder auch ablehnen kannst. Und trotzdem können wir noch gut miteinander umgehen.

Für mich ist das katholisch im besten Sinne. Immer wieder klar zu sagen, was ist und was Not tut und trotzdem leben und auch den anderen leben lassen. Und das Gottvertrauen haben, dass das Richtige sich am Ende dennoch durchsetzen wird.

Nun erlebe ich ja selbst, dass ich zwar viel darüber weiß, wie ich umwelt- und klimaschonender leben könnte – es aber oft genug nicht mache. Das geht vielen so. Warum eigentlich?

Weil wir alle Menschen sind. Ich auch. Wir sind alle Menschen mit unseren Routinen, aus denen es ganz schwer fällt auszubrechen. Mit unseren Bequemlichkeiten, vielleicht auch mit unseren Ängsten, dass wir da vielleicht ein Stück Lebensqualität verlieren. Ich kann es aus meiner Sicht verstehen. Auch mir geht es so, dass ich immer wieder denke: jetzt hättest du mal das Auto stehen lassen können! Ich bin deshalb auch kein Freund von grundsätzlichen, radikalen Verboten: Ihr dürft jetzt nicht mehr fliegen! Fliegt weniger, fliegt alle zwei Jahre oder statt dreimal im Jahr nur noch einmal im Jahr. Aber wem die griechischen Inseln so wichtig sind, dass er sie gerne mal sehen würde. Ja, okay, dann flieg hin.

Es ist die Kunst der kleinen Schritte. Der Weg dauert länger, aber auch er führt zum Ziel und nimmt vielleicht sogar mehr Menschen mit. Doch Bewahrung der Schöpfung, das heißt für ihn noch viel mehr als die Reduktion von CO2. Darum wünscht er sich …

Dass wir nicht nur auf das Klima schauen. Lasst uns auf das Klima schauen. Aber diesen anderen großen Bereich des Lebensschutzes, des Tierschutzes, der Bewahrung der göttlichen Schöpfung nicht vergessen.

Fragen, bei denen es inzwischen ja oft grundsätzlich und damit ruppig wird. Zwischen denen, denen alles viel zu langsam geht und den anderen, die sich gegängelt und bevormundet fühlen.

Es geht um einen Weg miteinander. Das Gegeneinander ist mir in unserer momentanen Gesellschaft und momentanen Umgang viel zu stark. Kaum macht einer den Mund auf, schreien die Ersten los und umgekehrt. Miteinander reden, gemeinsam Wege gehen. Und dann, bin ich der festen Überzeugung, finden wir Lösungen.

Ist das vielleicht sogar seine wichtigste Aufgabe? Menschen zusammenzubringen?

Ja, da müsste ich sogar noch viel mehr Zeit haben. Menschen, die das gleiche Anliegen haben, zusammenzubringen. Momentan, glaube ich, ist meine Aufgabe doch eher, den Finger in die diversen Wunden zu legen und zu sagen: Bei allem Verständnis, aber hier müssten wir jetzt mal einen Schritt weiterkommen. Ich mache das, glaube ich, auf eine gute Form. Ich mache das mit viel Verständnis. Aber wer mich kennt weiß auch, durchaus mit viel Penetranz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39254
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