SWR3 Gedanken

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21JAN2024
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‚Wir machen hier jetzt Mohltied-Kirche.‘ Schreibt mir eine Freundin aus dem hohen Norden. Mohltiedkirche – so heißt die Vesperkirche im Norden. Eine offene Kirche mit Essen, medizinischer Hilfe und Sozialberatung für die, die wenig haben, und sich immer ausgegrenzt fühlen.

Mohltiedkirche weil man ‚Vesper‘ dort nicht verstehen würde. Für mich ein Zeichen: An immer mehr Orten erkennen Menschen, dass die Armut stärker wird. Im Norden wie im Süden ist die Armut so gravierend, dass es Vesper- und jetzt Mohltiedkirchen braucht.

Im Schatten der letzten Krisen sagt Oxfam haben die fünf reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen mehr als verdoppelt. Währenddessen leben etwa 160 Millionen Menschen mehr in Armut.

In der Zeit der Vesperkirche gibt es viele Interviews. Manche Journalisten fragen mich, was ich mir wünsche für die Vesperkirchen. Und da fällt mir nur eines ein:

Dass es irgendwann nicht mehr nötig ist, dass Menschen in der Kälte auf der Straße anstehen, bis wir öffnen. Dass es irgendwann nicht mehr nötig ist, Spenden zu sammeln, damit Menschen in diesen kalten Wochen im Januar hier etwas sparen können, essen und sich aufwärmen.

Ich wünsche mir, dass die Schere zwischen Armen und Reichen nicht immer weiter auseinanderklafft, nicht in der Welt und nicht in unserem Land. Dass auch bei uns die Politik wie in Finnland und Kanada entscheidet, dass es keine Obdachlosigkeit mehr geben soll. Dass allen die draußen leben, ein Zimmer angeboten wird. Egal woher sie kommen, egal welche Sucht sie quält, egal. Und dass jedes Zimmer im Winter beheizt ist und im Sommer einen Kühlschrank hat.

Ich wünsche mir für die Vesper- und Mohltiedkirchen, dass wir irgendwann nur zusammenkommen, weil es schön ist und wir miteinander feiern, die die für wenig wert gehalten werden, weil sie nicht arbeiten können, alt sind oder krank- und die anderen alle. Wir folgen gemeinsam der Einladung in Gottes Festsaal!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39209
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