SWR4 Sonntagsgedanken

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21JAN2024
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Wenn Sie – liebe Hörerinnen und Hörer – mit Gott zu tun bekämen, wie würden Sie sich das vorstellen? Wie müsste das aussehen? Ich vermute mal: biblisch! Auf wundersame Weise. Wenn Gott mir begegnen soll, dann sicher auf ganz außergewöhnliche Weise. Vielleicht Gott auf dem Gipfel eines hohen Berges treffen. Manche erwarten vielleicht Gott nach einem langen Fasten in sich sprechen zu hören. Gott ist ja so sehr nicht von dieser Welt, dass es doch logisch ist, Gott nur zu erwarten, wenn ich etwas wirklich Übermenschliches zu leisten hatte. 

Aber machen Sie sich bitte keinen Druck. Eine kleine Episode aus der Bibel erzählt das genaue Gegenteil. Und die erzähle ich jetzt Ihnen: 
Ein nichtjüdischer Mensch namens Naaman hat eine Hautkrankheit. Er hat zu seinen Göttern gebetet, ihnen Geschenke gemacht, hat sich in mehreren Flüssen seines Heimatlandes rituell gewaschen – nicht hilft. Schließlich bekommt er den Tipp: Schau Dich mal in Israel um. Man erzählt sich, dass der dortige Gott Kranke heilen kann. 500kg Silber und 70kg Gold nimmt er mit. So ein Gott verdient eine ganz außergewöhnliche Gabe. Ein Diener begleitet ihn. 

In Israel treffen sie schließlich auf den Propheten Elisa. Der rät Naaman: Wasche Dich siebenmal im Jordan, dann wirst Du gesund. Und Naaman weigert sich: „Ich habe mich in jedem Fluss gewaschen, ich werde das nicht noch einmal tun. Das ist doch unsinnig!“ Ich stelle mir vor, wie Elisa die Schultern zuckt und sich denkt: „Wer nicht will, der hat schon.“ Naamans Diener fasst sich ein Herz und sagt zu seinem Herrn: „Hör mal, wenn Dir der Prophet empfohlen hätte, etwas Großes zu tun, hättest Du es sicher getan. Steh Dir nicht im Weg und tu doch, was Dir zu selbstverständlich erscheint. Du hast doch nichts zu verlieren.“ Und Naaman tut das Naheliegende, wäscht sich und wird gesund. 
Am Ende will er Elisa Gold und Silber überreichen. Elisa aber lehnt das ab. Er und sein Gott brauchen solchen Zinnober nicht. 

Wissen Sie, mir gefällt das. Wer hofft, dass Gott handelt, der oder die soll das Naheliegende nicht ausschließen. Ich denke, gläubige Menschen warten oft auf den großen Knall, das große Wunder. Damit Gott seinen guten Willen auch hörbar und sichtbar macht. Aber es gehört anscheinend zu den Eigentümlichkeiten des biblischen Gottes, dass er seinen guten Willen gerade im Naheliegenden vermittelt. Das heißt aber nicht, dass Naaman ein blindes Huhn wäre.

Aber das, was eigentlich naheliegt, kann einem manchmal ganz schön fern sein. Ich hab das mal erlebt. Ich war mit einer Gruppe Teenager in Griechenland auf einer Freizeit. Eine Frau in meinem Alter, die ebenfalls als Betreuerin dabei war, war Angela. Ich hätte mit ihr gerne irgendwie auf eine gute Art und Weise Kontakte geknüpft. Aber, ich weiß nicht, warum: Jedes Gespräch von uns war geprägt von schnippischen Kommentaren. Vielleicht, weil die Jugendlichen um uns herum waren und wir beide vor ihnen gut dastehen wollten. Ich habe einen richtigen Konkurrenzkampf angefangen. Und ich wollte natürlich unbedingt gewinnen: der coolere sein und das Machtspielchen gewinnen. 

Tief in mir drin, war mir das klar. Und dass mich falsche Eitelkeit gepackt hatte – wie eine Krankheit. So ähnlich wie die Krankheit  auf der Haut von Naaman. Tief in mir drin wollte ich sie auch gerne loswerden. Aber zuerst habe ich schon gehofft, dass Gott  irgendwie eingreift, irgendetwas Außergewöhnliches passieren und unser Konflikt sich lösen würde. 

Nach drei, vier Tagen dieses völlig unnötigen Machtspielchens haben wir einen Leuchtturm an der Ägäis besucht. Der Wind hat geweht, die Sonne war warm, Angela saß alleine auf einer Mauer. Es war ein wunderschöner Tag. Aber etwas Außergewöhnliches ist nicht passiert. Und das Naheliegende schien mir so fern: Rüber gehen und zugeben, dass ich nicht ganz sauber war. Ich weiß nicht mehr, was mich angetrieben hat. Aber ich bin rüber und hab gesagt: „Wir hatten irgendwie einen schlechten Start. Ich hätte gerne positiven Umgang mit Dir. Können wir neu anfangen?“ Wieder ein paar Tage später hat sie gesagt: „Ich habe einen ganz anderen Matthias erlebt.“ Ich glaube schon, dass da der Heilige Geist geweht hat. Kraft und Versöhnung hab ich erlebt – nur halt anders, als ich erwartet hätte. Ohne Applaus, aber dafür mit Herz. 

Da hab ich was gelernt. Es war naheliegend, rüber zu gehen. Es war naheliegend, die eigene Eitelkeit zu überwinden. Mich im übertragenen Sinne zu waschen. Es hat auch nichts gekostet, schon gar nicht 500kg Silber und 70kg Gold, die Naaman aus der Bibel für ein angemessenes Geschenk gehalten hat.

Und noch etwas hab ich gelernt: Gottes gute Absicht für ein friedliches Miteinander zeigt sich im Naheliegenden. Es braucht keine außergewöhnliche Leistung, keine außergewöhnliche Erscheinung. Gar nicht so selten, liegt das, was gesund macht, nah. Das zeigt die kleine Geschichte von Naaman. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39193
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