SWR2 Wort zum Tag

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13JAN2024
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Warum gibt es die doppelte Staatsbürgerschaft, aber keine doppelte Religionszugehörigkeit? Diese Frage hat mir einmal ein Vater bei der Anmeldung seines Sohnes zum Konfirmandenunterricht gestellt. Die Mutter, Türkin und im islamischen Glauben beheimatet, war nicht dabei. Zu groß der Schmerz, dass der Sohn sich entschieden hatte. Zur Taufe. Und für das Christentum. Von Geburt an hatten beide Eltern alles dafür getan, ihrem Sohn das Beste aus zwei Kulturen mit auf den Weg zu geben. Das hatte auch gut funktioniert, bis der ins Konfirmandenalter kam und viele seiner Freunde sich zum Konfirmandenunterricht angemeldet haben. Da war für ihn klar: Das wollte er auch. Dazugehören. Und wenn es zum Dazugehören dazugehört, wollte er auch am wöchentlichen Unterricht teilnehmen, sonntags Gottesdienste besuchen, Gemeindepraktika und Freizeiten absolvieren und am Ende mit all seinen Freunden in einem festlichen Gottesdienst konfirmiert werden. Sein Vater, evangelisch getauft und Kirchenmitglied, saß vor mir und befand sich in einer emotionalen Zwickmühle.

Die Möglichkeit einer doppelten Religionszugehörigkeit wäre für die Familie eine Lösung gewesen, mit der alle gut hätten leben können. Sie hätte niemanden ausgeschlossen und eine große Freiheit eröffnet. Aber diese Option gab es nicht. Gibt es bis heute nicht. Inzwischen frage ich mich allerdings, ob sie nicht dazu beitragen könnte, Konflikte zu lösen, die ihren Ursprung in religiöser Abgrenzung haben. Was könnte geschehen, wenn Religionszugehörigkeit nichts Exklusives wäre, das andere ausschließt? Sondern Verständnis und Zugehörigkeit, Toleranz und Akzeptanz fördern würde.  

Ich bin überzeugte Christin. Ich bin es mit Lust und Leidenschaft. Aber ich habe mich nicht nach einem längeren Auswahlprozess dafür entschieden. Ich bin in diese Religion hinein geboren und in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, das mich begeistert hat. Wäre ich anderswo zur Welt gekommen, sähe das vielleicht ganz anders aus. Eine doppelte Religionszugehörigkeit könnte Räume öffnen für gegenseitige Toleranz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39133
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