SWR1 Begegnungen

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31DEZ2023
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Christoph Sonntag Copyright: sonntag.tv

Martina Steinbrecher trifft: Christoph Sonntag, Kabarettist, Wohltäter, einundfünfzigprozentiger Gläubiger 

(Eine Wiederholung der Sendung vom 18.09.2022)

Er hätte auch Pfarrer werden können. Neben einem passenden Namen bringt er vieles mit, was ihn statt auf die Bühne auch auf eine Kanzel hätte führen können. Der Kabarettist Christoph Sonntag stammt aus Waiblingen und ist in einem pietistisch geprägten Umfeld aufgewachsen: Er ist getauft und konfirmiert und bis heute Mitglied der evangelischen Landeskirche. Vor allem aber bescheinigt ihm seine Mutter ein „Talent zur Menschenfischerei“:

Ja, meine Mama hat jahrelang gejammert: „Ach, Kerle, wärsch doch Pfarrer worre!“ Wahrscheinlich denkt meine Mama, dass ein Pfarrer automatisch in den Himmel kommt. Und zweitens hat sie wahrscheinlich meine menschenfischende Art erkannt. Und drittens wäre es halt in der Gesellschaft wahrscheinlich besser angekommen als ein Kabarettist.

Ich kenne keinen Pfarrer, der den Begriff Menschenfischer heute auf sich bezieht. Klingt wahrscheinlich zu sehr nach „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Dabei gehört das Wort unbedingt in die Tradition christlicher Nachfolge. Im Lukasevangelium erkennt Jesus die menschenfischende Art von Petrus, einem Berufsfischer vom See Genezareth. „Von nun an sollst du Menschen fischen“, sagt Jesus zu ihm. Und ich höre heraus: Du kannst das: Menschen für eine Sache gewinnen, überzeugen, begeistern …

Wir haben alle eine Botschaft und möchten, glaube ich, darauf hinweisen, dass wir alle in ein Leben geschmissen wurden, wo keiner uns jetzt beweisen kann, dass es vom lieben Gott gesteuert ist. Dass es ihn überhaupt gibt, weiß keiner. Das ist eine Mutmaßung. Aber wir sind in diesem Leben und haben die Möglichkeit, Spuren zu hinterlassen.  

Christoph Sonntag sieht sich nicht als Comedian, der nur unterhalten möchte, sondern als Mensch mit einer Haltung, einer Weltanschauung. Die will er verbreiten, ohne ätzend zu sein, ohne die Leute zu belehren. Sein Vehikel ist der Humor. Und die Botschaft kommt im Beifang.

Ich bin Unterhalter. Da kommen Menschen zu mir, die haben einen ganzen Tag geschafft, die haben ihre Probleme. Die haben Probleme mit den Kindern, mit dem Job, mit der Gesundheit. Und denen möchte ich zwei Stunden lang einfach Tränenlachen bieten, damit sie mal davonschweben können. Und wenn im Beifang ein bissle Weltanschauung mit durchfließt und sie am Schluss sagen, hey, das war supergeil beim Sonntag, aber da mit der Ukraine hat er recht gehabt oder: da mit dem Umweltschutz hat er recht gehabt. Das ist doch toll. Mehr kannst du gar nicht kriegen.

Wenn ich Christoph Sonntag von seinem Beruf schwärmen höre, muss ich denken: So unterschiedlich sind die Erwartungen an Kabarettisten und Pfarrerinnen ja gar nicht. Auch zu mir in den Sonntagsgottesdienst kommen Leute mit Problemen. Und auch ich möchte, dass sie verändert nach Hause gehen, nachdenklich, wachgerüttelt, getröstet, beschwingt. Dass sie sagen: Hey, geil war`s am Sonntag. Christoph Sonntag meint:  

Ihr seid immer in der Gefahr, dass man denkt, ach, jetzt kommt was Betuliches. Ihr müsst immer dagegen ankämpfen: Hör mir doch bitte zu, weil so blöd ist es gar nicht. Aber ja, das ist halt die Bürde eures Jobs.

Ich habe eine Übereinstimmung zwischen unseren Berufen festgestellt: Hier die Pfarrerin, da der Kabarettist. Beide wollen wir den Menschen etwas mitgeben, was das Leben leichter macht. Den großen Unterschied formuliert Christoph Sonntag so:

Der Pfarrer hat seine Texte vorgeschrieben vom lieben Gott, der Kabarettist darf sie sich selber schreiben. Wir sind etwas freier.

Über die Sache mit der Freiheit muss ich lange nachdenken. Stimmt das? Klar, beim Predigen bin ich an die biblischen Texte verwiesen. Die sind zwar nicht vom lieben Gott geschrieben, aber in einer gewissen Reihenfolge für jeden Sonntag vorgegeben. In der Auslegung bin ich als Protestantin aber nur meinem Gewissen verpflichtet. Ausgerechnet der Kabarettist, der kein Pfarrer werden wollte, hat mich zu Beginn unseres Gesprächs daran erinnert. Auf der Kaffeetasse, die er mir hingestellt hat, steht „I muss gar nix!“  Und dazu meint er augenzwinkernd: „So was in der Art hat der Luther ja auch mal gesagt!“ Stimmt. Im O-Ton: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan!“ Erlebt Christenmensch Sonntag den Glauben auch als eine befreiende Kraft?

Es gibt fünfzig Prozent Chance, dass es Gott gibt, fünfzig Prozent Chance, dass es ihn nicht gibt. Ich sehe es einundfünfzig zu neunundvierzig, weil für mich sind zu viele Momente auf dieser Erde da, die mich schon erstaunen lassen und mir eine Gänsehaut machen. Diese Kraft gibt es definitiv. Diese Kraft gibt es, und sie ist für mich die göttliche Kraft, die wir anzapfen können, und wenn man sie anzapft, fließt sie. Wenn sie durch uns durchfließt, geben wir sie ab und kriegen sie zurück.

Etwas abzugeben von dem, was er bekommt, auch das ist für Christoph Sonntag wichtig. Sein gesellschaftliches Engagement könnte direkt aus der Bibel abgeleitet sein. Mit seiner Stiphtung, die sich wie sein Vorname mit ph in der Mitte schreibt, packt er Probleme dort an, wo sie ihm wie einst dem barmherzigen Samariter direkt vor die Füße fallen:

Wir kümmern uns um Obdachlose und Wohnsitzlose. Wir kümmern uns um ökologische Projekte. Wir machen im Prinzip Dinge, die wir sehen, und machen sie einfach. Also wir sind jetzt keine Stiftung, die zum Beispiel sagt, wir retten jetzt alle Straßenhunde dieser Welt. Aber wenn ein Kaninchen vorbeihoppelt, ist es uns egal, sondern wir kriegen halt mit, dass jemand in Not ist und versuchen, dann schnell zu helfen.

Und dann hat er zum Schluss noch dieses Wort vom Sonntag:

Ich hole mir meinen Kontakt zu der himmlischen Weisheit, indem ich ständig damit lebe. Indem ich ständig mit dem Wissen lebe, dass es etwas Höheres gibt, indem ich ständig mit dem Wissen lebe, dass mich das immer gemahnt, freundlich gemahnt, was ich auch richtig machen soll. Dann mache ich es falsch, dann liege ich im Bett. Und dann weiß ich, dass mir verziehen wird. Das ist geil.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39089
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