SWR4 Abendgedanken

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04JAN2024
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Wie wäre es, wenn Menschen es sich zur Aufgabe machen, für gute Stimmung zu sorgen?

Ich habe leider den Eindruck, in der letzten Zeit gibt es hier viele, die schlechte Stimmung gegen andere machen und die sogar Hass verbreiten. Diese Menschen haben keine Fragen und ignorieren andere Meinungen. Sie wissen es meistens selbst am besten und stecken andere in Schubladen. Da sind alle Muslime in Deutschland Judenhasser, potentielle Terroristen und gewaltbereit. Für Menschen, die solche schlechte Stimmungen verbreiten, gibt es keine Ausnahmen.

Ich ärgere mich über diese miese Stimmungsmache. Denn diese Leute wollen mich manipulieren, wenn sie so etwas von sich geben, und ich lasse mich nicht gern manipulieren. Ich bilde mir lieber meine eigene Meinung. Und die ist nicht so schlicht und einfach, und auch nicht schwarz-weiß. Es gibt eben nicht bei den einen nur vorbildliche und bei den anderen nur boshafte Menschen. Davon bin ich überzeugt. Und wenn Menschen sich austauschen und dabei ihren Horizont erweitern, trägt das zu einer guten Stimmung in unserem Land bei. Wirklich interessant wird es doch erst dann, wenn Menschen ganz andere Erfahrungen haben als ich. Ihre Äußerungen sind wie einzelne Mosaiksteinchen, die ich in mein Weltbild einfüge und dann schaue, wie aus vielen Steinchen allmählich ein großes Ganzes wird.

So ein Mosaikstein, der mein Denken erweitert hat, ist ein Brief, den muslimische Schülerinnen und Schüler meiner Schule geschrieben haben. Die Jungen und Mädchen sind in der Oberstufe und besuchen den islamischen Religionsunterricht. Dort haben sie nach dem Terrorakt im Gaza-Streifen einen Brief an die jüdische Gemeinde hier in Stuttgart geschrieben. Sie schreiben darin sinngemäß: „Wir sprechen allen Jüdinnen und Juden unser Mitgefühl aus. Als junge Muslime stehen wir fest hinter der jüdischen Gemeinde. Wir wünschen uns, dass unser Land ein sicheres Land für alle ist, die hier leben. Wir wünschen uns das für jedes Land dieser Welt.“ Soweit dieser Brief.

Natürlich gibt es noch große Probleme bei dem Thema, wie Menschen unterschiedlicher Religion und Weltanschauung hier gemeinsam leben. Aber dieser Brief ist für mich ein ganz wertvolles Mosaiksteinchen. Denn er zeigt, der Weg geht nicht über Konflikt und Hass, sondern darüber, dass wir uns austauschen, dass wir zusammenhalten und es aushalten, dass andere anders sind. Und genau das sorgt für eine gute und ehrliche Stimmung in unserem Land. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39087
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