SWR3 Gedanken

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15JAN2024
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Es gibt ja jetzt diese Handykameras mit der Funktion „beste Aufnahme“. Bei Gruppenfotos hält man einfach mehrmals drauf, und die Künstliche Intelligenz wählt dann die besten Gesichtsausdrücke aus. Die rechnet sie dann zu einem neuen Bild zusammen, auf dem alle ihr strahlendstes Lächeln zeigen. Hab ich mir auch schon gewünscht bei Familienfotos, auf denen die kids schlechte Laune hatten oder Grimassen geschnitten haben.

Aber eigentlich auch ein bisschen schade. Oft sind doch die vermeintlich missglückten Bilder gerade die, die was zu erzählen haben, und an die man sich noch lange erinnert. Zum Beispiel das alte schwarz-weiß Foto meiner Mutter mit ungewissem Blick. Kurz zuvor hatte sie erfahren, dass sie noch einmal überraschend schwanger geworden war. Oder mein Kumpel und ich: wir hocken frisch gekentert und pudelnass neben unserem vollgelaufenen Kanu – beide mit betröppelten Gesichtern. Das Foto zeigt vielleicht nicht unsere Schokoladenseite, aber ich weiß noch genau, wie ich mich damals gefühlt habe.

Und dazu sind Fotos ja auch gut: Sie halten Situationen fest, sie helfen mir beim Erinnern und bilden letztlich mein Leben ab. Und das besteht nicht nur aus Lächeln und guter Laune. Ich finde, das muss man sich immer wieder bewusst machen: Es gibt auch Phasen, da bin ich griesgrämig, verzweifelt, wütend oder nachdenklich. Die gehören einfach zum Leben dazu – nicht nur als Kontrastmittel für die Sternstunden, sondern einfach, weil das Leben so ist.

Die Funktion „Beste Aufnahme“ ist vielleicht manchmal ganz nützlich, aber vor allem ein neues Extra, um Handys besser verkaufen zu können. Zum Glück kann das echte Leben mehr als bloß Lächeln.

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