SWR4 Abendgedanken

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27DEZ2023
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Oskar ist sterbenskrank. Leukämie. Der Junge ist im Krankenhaus. Die Ärzte verzweifeln an seiner Krankheit. Und niemand weiß so recht, wie man mit ihm, dem sterbenden Kind, umgehen soll. So erzählt es Eric Emanuel Schmitt in seinem Roman „Oskar und die Dame in Rosa“. Und „Oma Rosa“, wie Oskar sie liebevoll nennt, ist dann auch seine Rettung. Sie ist eine ehrenamtliche Helferin, eine der Damen im rosa Kittel, die ins Krankenhaus kommen, um mit den Kindern zu spielen und sie zu beschäftigen. Aber Oma Rosa macht noch viel mehr: Sie redet mit Oskar, sie tröstet ihn, sie ist ehrlich, verheimlicht ihm nicht, wie es um ihn steht. Und hilft ihm gerade damit.

Oma Rosa erzählt Oskar, dass sie früher mal eine berühmte Catcherin war und ihr Geld mit spektakulären Ringkämpfen verdient hat. Ob das stimmt, weiß man nie so recht. Aber: Oskar himmelt sie dafür an. Sie ist seine Heldin, die es mit allen aufnimmt! Einmal erzählt sie ihm von einem früheren Kampf: Ihre furchteinflößende Gegnerin hatte sich mit Öl eingeschmiert. Aalglatt war sie jetzt. Einfach nicht zu fassen. Niemand konnte sie bezwingen. Aber Oma Rosa hatte eine Tüte Mehl dabei, und die hat sie über sie ausgeschüttet. Und schon war die Angstgegnerin problemlos zu besiegen. Man nannte sie danach nur noch „die panierte Flunder“, sagt Oma Rosa. Und sie ist überzeugt: „Es gibt immer eine Tüte Mehl.“

Mich fasziniert, wie Oma Rosa denkt. Es gibt immer einen Weg, einen Ausweg. Vielleicht ist der nicht sofort ersichtlich. Vielleicht ist er ungewöhnlich. Vielleicht ist er überraschend. Oder wirkt erstmal total absurd. Aber: Es gibt ihn, diesen Weg. „Es gibt immer eine Tüte Mehl.“, sagt Oma Rosa.

Irgendwie göttlich, finde ich. Ungewöhnliche, überraschende Lösungen. Die manchmal auch absurd wirken. Jesus zum Beispiel lädt sich bei dem fiesen und ungerechten Zöllner Zachäus ein. Da sind alle Leute sauer auf ihn. Was gibt er sich denn auch ausgerechnet mit diesem gottlosen Kerl ab? Aber Jesus schafft es, dass Zachäus umdenkt. Ohne Schimpfen und Meckern, ohne erhobenen Zeigefinger. Schlicht durch Zuwendung. Das hatte keiner erwartet. Manchmal findet Gott eben einen ziemlich unerwarteten Weg. Denn, wie bei Oma Rosa: „Es gibt immer eine Tüte Mehl.“

Oma Rosas Weg für Oskar ist nicht der, dass er wieder gesund wird. Aber: Sie schafft es, dass Oskar gute letzte Tage verbringt. Und schlussendlich friedlich und irgendwie sogar zufrieden sterben kann. Wie sie das macht? – Na, da müssen Sie das Buch schon selbst lesen. Macht Freude, trotz des traurigen Themas, das verspreche ich Ihnen.

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