Christvesper

Christvesper

Herzlich Willkommen zur Christvesper an diesem Heiligen Abend.

Dieser Abend ist für viele Menschen besonders. Familie, Christbaum, Geschenke, der Duft von Weihnachtsplätzchen und vielleicht der Abendgottesdienst gehören ganz selbstverständlich dazu. Aber für zahlreiche Menschen ist all das heute keine Realität. Menschen, die einsam sind, in Kriegsgebieten leben oder aus ihrer Heimat flüchten mussten. Und für all diejenigen, denen heute, aus welchem Grund auch immer, vor lauter Angst und Sorge nicht nach feiern zumute ist.

Kann diese Nacht heilig sein, in dieser Zeit? JA, das glauben wir! Denn die Geburt Jesu vor über 2000 Jahren hat etwas verändert. Gott ist Mensch geworden – und zeigt uns damit: Das Leben soll anders werden! Gemeinsam mit Ihnen machen wir uns in der nächsten halben Stunde auf den Weg. Mit Musik und Texten wollen wir von der Kraft erzählen, die in der Krippe ihren Anfang genommen hat.

Die Nacht ist vorgedrungen (Ensemble Encore)

Wir hören nun das Weihnachtsevangelium, gelesen von Peter Binder.

In dieser Zeit befahl der Kaiser Augustus, dass alle Bewohner des römischen Reiches namentlich in Listen erfasst werden sollten. Eine solche Volkszählung hatte es noch nie gegeben. Sie wurde durchgeführt, als Quirinius Statthalter in Syrien war. Jeder musste in die Stadt gehen, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.

Weil Josef ein Nachkomme Davids war, der in Bethlehem geboren wurde, ging er von Nazareth in Galiläa nach Bethlehem in Judäa. Josef musste sich dort einschreiben lassen, zusammen mit seiner Verlobten Maria, die ein Kind erwartete.

Als sie in Bethlehem waren, brachte Maria ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe im Stall, weil es im Gasthaus keinen Platz mehr gab.

In dieser Nacht bewachten draußen auf dem Feld einige Hirten ihre Herden. Plötzlich trat ein Engel Gottes zu ihnen, und Gottes Licht umstrahlte sie. Die Hirten erschraken sehr, aber der Engel sagte: „Fürchtet euch nicht! Ich bringe euch und allen Menschen eine große Freudenbotschaft: Heute ist für euch in der Stadt, in der schon David geboren wurde, der lang ersehnte Retter zur Welt gekommen. Es ist Christus, der Herr. Geht und überzeugt euch selbst: Das Kind liegt, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe!“

Auf einmal waren sie von unzähligen Engeln umgeben, die Gott lobten: „Gott im Himmel gehört alle Ehre! Denn er wendet sich den Menschen in Liebe zu und bringt der Welt den Frieden.“ Nachdem die Engel in den Himmel zurückgekehrt waren, beschlossen die Hirten: „Kommt, wir gehen nach Bethlehem! Wir wollen sehen, was dort geschehen ist und was der Herr uns verkünden ließ.“ Sie machten sich sofort auf den Weg und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Futterkrippe lag. Als sie es sahen, erzählten die Hirten, was ihnen der Engel über das Kind gesagt hatte. Und alle, die ihren Bericht hörten, waren darüber sehr erstaunt. Maria aber merkte sich jedes Wort und dachte immer wieder darüber nach.

Schließlich kehrten die Hirten zu ihren Herden zurück. Sie lobten und dankten Gott für das, was sie in dieser Nacht erlebt hatten. Alles war genauso gewesen, wie es der Engel angekündigt hatte. (Lk 2,1-20)

Zu Betlehem geboren (Harmonic Brass)

„Als sie in Bethlehem waren, brachte Maria ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt.“

Das ist Weihnachten. Das ist es, was wir heute feiern. Am Heiligen Abend. Ich habe allerdings das Gefühl, dass viele Menschen nur diesen Satz in der Weihnachtsgeschichte hören. Vielleicht noch das mit den Engeln und den frohen Hirten. Weil am Heiligen Abend immer alles irgendwie schön sein soll. Friedvoll und nett.

Aber, wenn man diese alte Geschichte genau anschaut, dann hat die Geburt so gar nichts zu tun mit Friede, Freude und heiler Welt: Angefangen mit Maria, die einfach so schwanger wird. Durch, Gottes Wirken, wie es heißt. Und Josef, der wahrscheinlich andere Pläne für sein Leben hatte und tatsächlich überlegt hat, ob er Maria verlassen soll. Dann diese beschwerliche Reise von Nazareth nach Betlehem und dort dann weit und breit kein keine Unterkunft.

Wie Maria und Josef sich wohl gefühlt haben müssen? Nicht willkommen zu sein, so abgewiesen zu werden und so auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein. Und dann zwischen den Tieren dort ein Kind auf die Welt zu bringen. Diese heilige Nacht muss wirklich ziemlich erbärmlich gewesen sein.

Dass es Nacht war, wissen wir übrigens nur, weil erzählt wird, dass die Hirten nachts gewacht haben. Die Nacht ist hier auch ein Symbol.  Eines für die Nacht der Welt, für alles, was schwer ist, ungemütlich und schlimm.

Als Gegenstück dazu, wird in vielen Darstellungen die Krippe in Licht getaucht, ja mit einem Licht, dass aus der Krippe selbst kommt. Und dieses Licht steht für die Hoffnung, die es trotz aller Dunkelheit gibt. Die man nicht so einfach erklären kann.

Aber an den Hirten merkt man es. Sie kommen, sehen das Kind und gehen beschwingt und froh zurück. Dabei hat sich für sie nichts verändert. Sie haben ein einfaches Kind gesehen. In einem Stall. In einer Krippe, die eigentlich für das Futter der Tiere bestimmt war. Aber dieses Kind ist für sie das Zeichen, dass sie nicht alleine sind. Das Zeichen, dass Gott sie nicht alleine lässt. Weder in dieser Nacht noch sonst. Dass es jemanden gibt, der an sie denkt und für sie da ist, wenn das Leben schwer wird, in den einsamen Stunden. Und das ist für mich Weihnachten! Die Erinnerung daran, dass ich, egal, ob ich abgewiesen werde, mich alleine fühle oder nicht weiß wohin, egal, was auch kommen mag – eben nicht alleine bin.

Zündet die Lichter der Freude an (Jugendchor St. Kolumban, Wendlingen)

Eine heilige Nacht

Meine Kinder und ich, wir waren gerade umgezogen. Die Kisten noch nicht ausgepackt. Nur die Betten sind aufgebaut und ein bisschen Geschirr steht in der Küche. Und heute ist Heiligabend. Mit Mini-Tannenbaum im Topf, ohne Lichterkette, ohne Kugeln, die haben wir im Umzugstrubel nicht gefunden. Dafür stehen drei große Holzengel auf dem Boden im Wohnzimmer. Sie sind erst ein paar Tage alt, ich habe sie beim Weihnachtsbasteln im Kindergarten gemacht. Ich finde, die sind richtig schön geworden. Ein dicker Holzscheit und oben drauf als Kopf eine weiße Gipskugel und hinten, quasi auf dem Rücken, große weiße Gips-Flügel; die sehen aus wie bei einem Schmetterling.

Es ist das erste Weihnachten nach der Trennung von meinem Mann. Die Kinder sind bei mir. Zusammen gehen wir ins Krippenspiel, in unsere alte Kirchengemeinde, da, wo wir alle kennen. Anschließend fahren wir zurück, in ein fremdes Haus, an einen fremden Ort. Immerhin, wir haben ein Dach über dem Kopf.

Wir brutzeln rote Wurst auf dem Tischgrill, Kartoffelsalat haben wir vom Metzger geholt. Der Papa kommt zum Essen vorbei, die Kinder freuen sich. Und das ist mir wichtig. Singen und die Weihnachtsgeschichte lesen, darauf hat in diesem Jahr niemand richtig Lust. Die Stimmung ist trotzdem nicht so schlecht. Wir reden. Über das, was kommt, wie wir die Zimmer einrichten wollen, dass man von hier zur Schule nur 5min braucht, und dass es sogar einen Fußballverein für Mädchen gibt.

Irgendwann wird mir kalt, ich friere. Vielleicht bin ich einfach übermüdet. Also setze ich eine Kanne Früchtetee auf; der hilft wenigstens gegen die Kälte. Und bin in diesem Moment sehr froh über die große Dose mit Plätzchen und Lebkuchen von der Oma; die ist jetzt genau richtig. Irgendwann fragt der Jüngste: Kannst Du was vorlesen? Was aus „Engel, Hase, Bommelmütze“? Klar kann ich das. Ich hole das Buch mit den 24 Adventsgeschichten, das habe ich griffbereit in der Handtasche. Wir sind in diesem Jahr nur bis Tag 14 gekommen, dann mussten wir Kisten packen.

Während ich lese, wird es immer kälter. Und irgendwann ist klar: Die Heizung tut nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, wen ich anrufen könnte. Es würde eh keiner kommen an Heiligabend. Die Kinder wissen sich zu helfen und suchen und finden tatsächlich ihre Schlafsäcke. Und dann fangen sie an, mitten im Wohnzimmer ein Lager zu bauen. Zwischen den Umzugskisten, mit Decken und ihren Kuscheltieren. Ich hole mir noch eine Jacke und lese dann, eine Geschichte nach der anderen. Irgendwann bin ich bei Nummer 24 angekommen, beim Finale. Der kleine Engel weiß endlich, was er dem Christkind schenken kann; die ganze Adventszeit hat er sich Gedanken gemacht. Und auf einmal ist ihm klar: Er hat doch schon das schönste Geschenk: Es sind all die Geschichten, die er in den letzten Wochen auf der Erde erlebt und gehört hat. Von Menschen, die gehofft oder geheult haben, die einsam oder glücklich waren, ungeduldig oder neugierig. Oder voller Sehnsucht.

Und dann lese ich die letzten Sätze vor und erzähle den Kindern, wie der Engel all diese Geschichten mit in den Himmel nimmt – und ich sehe, dass die Kinder eingeschlafen sind. In ihrem Lager zwischen den Umzugskisten. Die Schlafsäcke hochgezogen bis an die Nasenspitze, ihre Kuscheltiere fest im Arm.

Diese heilige Nacht war eine friedliche Nacht, wirklich ganz unerwartet friedlich. So können heilige Nächte sein.

Hark the herald angels sing (Berdien Stenberg)

Gott, Du bist zu uns gekommen, als Kind in einer Futterkrippe, in einem abgelegenen Stall. Und Du hast es geschafft, dass von diesem Ort neue Hoffnung ausgeht.

Wir bitten Dich heute für alle, die an unwirtlichen Orten leben – in Blechhütten vor den Städten, in Zelten und Turnhallen, auf der Straße oder im Park.

Wir bitten Dich für alle, die Angst haben – vor Gewalt, vor dem nächsten Bombenangriff, vor aller Ungewissheit, weil sie auf der Flucht sind.

Wir bitten Dich für alle, denen es gerade heute nicht gut geht – weil sie traurig oder einsam sind, weil es Streit in der Familie gibt oder der Kontakt zu den Liebsten abgerissen ist.

Wir bitten Dich für uns selbst:
Lass uns diesen Anfang im Stall wachhalten. Damit die Hoffnung bleibt: auf Friede, Freude und Gerechtigkeit.

Alle Bitten, die jetzt ausgesprochenen wurden und alle, die in unseren Gedanken und Herzen sind, wollen wir im „Vater unser“ zusammennehmen. Lassen Sie uns gemeinsam beten:

VATER UNSER IM HIMMEL

GEHEILIGT WERDE DEIN NAME.

DEIN REICH KOMME.

DEIN WILLE GESCHEHE

WIE IM HIMMEL SO AUF ERDEN.

UNSER TÄGLICHES BROT GIB UNS HEUTE.

UND VERGIB UNS UNSERE SCHULD,

WIE AUCH WIR VERGEBEN UNSERN SCHULDIGERN.

UND FÜHRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG,

SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN.

DENN DEIN IST DAS REICH UND DIE KRAFT UND DIE HERRLICHKEIT

IN EWIGKEIT.

AMEN.

Nun freut euch ihr Christen (Matthias Degott, Jürgen Ochs, Rastatter Hofkapelle)

Gott,
an vielen Orten auf der Welt herrscht Krieg,
auch heute Nacht
Viele Menschen sind einsam
auch heute Nacht.

Und trotzdem:
viele Menschen hoffen,
gerade heute Nacht.

Segne diese Nacht, Herr.
Und segne uns und all unsere Begegnungen.

Du, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

 

Mit dem Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ geht die Christvesper nun zu Ende. Am Mikrofon waren Manuela Pfann und Pfarrer Wolfgang Metz von der katholischen Kirche. Wir wünschen Ihnen gesegnete Weihnachten und eine friedvolle heilige Nacht.

Stille Nacht, heilige Nacht (SWR Vokalensemble Stuttgart)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39022
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