SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

26DEZ2023
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Jahr für Jahr faszinieren mich die verschiedensten Krippen, die es in der Advents- und Weihnachtszeit überall zu sehen gibt. In ihrer Grundausstattung sind sich alle ähnlich: Dazu gehören das Kind in der Krippe, daneben Maria und Josef, Ochs und Esel, ein paar Schafe und Hirten und über allem der Stern und sangesfrohe Engel. Und je nach Geschmack oder Tradition kann diese weihnachtliche Szene natürlich ergänzt und erweitert werden.

Ich habe kurz vor Weihnachten eine besondere Krippe entdeckt; in einer Kirche, direkt vor dem Altar. Dort ist nur ein Futtertrog gestanden mit einem Büschel Stroh. Eine leere Krippe also, die sagen will: Das Wichtigste fehlt noch.

Nicht zu übersehen war das Stroh, eine Menge Stroh! Natürlich hat das zunächst eine praktische Seite. Das Kind soll später weich liegen können und soll es in der kalten Nacht gut haben. Aber ich meine, Stroh hat auch eine tiefere Bedeutung.

Wir sprechen von einem Strohfeuer und denken dabei an eine kurzlebige und oberflächliche Begeisterung. Wir sagen, dass einer nur leeres Stroh drischt und hören nichtssagende Worte. Und wenn einer dummes Zeug macht, dann hat er nur Stroh im Hirn oder ist strohdumm. Stroh ist Mist und Abfall, gerade richtig für den Stall oder für die armen Menschen, die wie ihre Tiere auf dem Stroh schlafen.

Ich verstehe immer mehr, dass das Stroh an Weihnachten nicht nur eine kleine Requisite ist, die zu einer Krippe eben dazu gehört. Es ist vielmehr Teil der guten und frohen Botschaft, die Christen an Weihnachten feiern.

Rainer Maria Rilke schreibt:“Die Menschen schauen immer von Gott fort. Sie suchen ihn im Licht, das immer kälter und schärfer wird, oben. Und Gott wartet anderswo – wartet ganz am Grund von allem. Tief. Wo die Wurzeln sind. Wo es warm ist und dunkel.“

Gott kommt buchstäblich herunter. Von ganz weit oben nach tief unten! So kommt Licht in die Nacht, in die Leere, in die Armut von uns Menschen. Wir würden ihn nie im Stroh und in der Armseligkeit suchen. Aber eben dort will er entdeckt und gefunden werden.

Wie das gemeint ist, mit dem heruntergekommenen Gott, davon erzählt auf amüsante Weise diese Szene:

Ein kleiner Bub schaut sich die Kinderbibel an und ist bei der Weihnachtsgeschichte angekommen. Da ruft er aus voller Kehle den Ruf der Engel: “Ehre sei Gott in der Höhle!“ Scheinbar hat er etwas missverstanden. Die Engel singen in der Höhe und nicht in der Höhle. Und dennoch! Er hat damit wunderbar den Kern der Weihnachtsbotschaft erfasst.

Gott ist eben nicht nur in der Höhe, weit weg, hell leuchtend irgendwo im Himmel. Sondern er ist auch in der dunklen Höhle, in der Felsengrotte eines Stalls in Betlehem. Auf Heu und auf Stroh: Aus der goldenen Herrlichkeit des Himmels, auf das Strohlager der Ärmsten! Das ist sein Weg zu den Menschen. Ein wahrlich „heruntergekommener“ Gott.

Später, wenn dann das kleine Kind aus dem Stall als Jesus von Nazareth in die Öffentlichkeit tritt, wird dieser Weg Gottes von oben nach unten weithin sichtbar. Man trifft ihn am Tisch bei den Sündern, denen man lieber aus dem Weg geht. Er steht an der Seite von kranken und leidenden Menschen, die andere schon längst abgeschrieben haben, er hält sich nicht an Gesetze, die für ihn zu toten Buchstaben geworden sind und er spricht in wunderbarer Weise von der Güte Gottes, die gerade den armen und einfachen Menschen zukommen will. Für viele, die nichts mehr von ihrem Leben erwarten, wird Jesus so zum Lichtblick in ihrer Not, zum rettenden Strohhalm, an den sie sich voller Hoffnung klammern.

Ich glaube, dass wir diese Hoffnung, diese Sehnsucht gut verstehen und vielfach selber in uns verspüren. Ich halte es manchmal schier nicht aus. Hier die schönen Bilder und Klänge eines frohen Festes und dort die zerbombten Häuser und die geschundenen Menschen. Die Botschaft von Betlehem hat es dieses Jahr besonders schwer, weil vom „Frieden auf Erden“ so wenig zu spüren ist.

Aber gerade deswegen ist Weihnachten wichtig. Jesus will mehr sein als eine schöne Kulisse für ein stimmungsvolles Fest. Er zeigt uns einen Weg, wie der Friede auf Erden wahr werden kann. „Mach es wie Gott, werde Mensch!“Ohne Gewalt, klein und ohnmächtig wie ein Kind, wirbt er darum, dass wir ihn aufnehmen und seinem Frieden wirklich eine Chance geben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39021
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