SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

21DEZ2023
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Heute ist der kürzeste Tag des Jahres. Es ist jeden Tag ein bisschen dunkler geworden, manchmal hat man das Gefühl, es wird gar nicht mehr richtig hell. Besonders hart wird es in dieser dunklen Zeit für Menschen, die an ihren Depressionen leiden. Und je nördlicher man kommt, desto früher dämmert es. In den skandinavischen Ländern verschmelzen die dunklen Tage sogar zu einer einzigen langen Nacht.

Kein Wunder, dass diese lange Dunkelheit unsere germanischen Vorfahren geprägt hat. Sie haben vermutet, dass zwielichtige Wesen in den Mittwinternächten wüten. Die Dunkelheit hat sie in Hab-Acht-Stellung versetzt. Sie haben versucht, sich mit allerlei Zauber vor dem zu schützen, was sie nicht sehen konnten.

Es ist, als hätten sie lange gewartet auf die Botschaft von einem Retter, der sich selbst als „Licht der Welt“ bezeichnet. Einer, der in der Nacht geboren wird, um die Welt zu erhellen. Die frühe Kirche hat folglich die Geburt Jesu geschickt als Lichterfest inszeniert. Damit ist auch klar, dass Weihnachten auf der nördlichen Halbkugel entstanden ist, denn auf der südlichen Halbkugel beginnt ja jetzt der Sommer und da ist es hell.

Mit Kerzen, Lichterketten und leuchtenden Sternen sehnen wir Weihnachten herbei - die Ankunft des Licht- und Lebensbringers.

Seit Jahrhunderten berührt es Menschen, dass Gott sich in Gestalt eines Kindes in diese Welt begeben hat. Er verlässt den hellen Himmel, um Licht in unsere Nacht zu bringen. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“. So hat es Jochen Klepper in seinem Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“ geschrieben.

Ich glaube, seit dem ersten Weihnachten gibt es keinen Ort mehr, der ganz und gar dunkel ist. Licht macht sichtbar, was verborgen ist. Licht hilft dem Vertrauen auf die Sprünge. Licht erlöst von ängstlicher Anspannung und

Hirngespinsten. Ich bin froh, dass ab jetzt die Tage wieder länger werden und das Licht wieder mehr wird. Selbst eine Kerze sorgt schon dafür, dass es nicht mehr dunkel ist. Und an Weihnachten die vielen Lichter erhellen alles, ich spüre immer, wie es dann hell wird im Herzen und warm. Auch durch die Nähe anderer Menschen. Denn Licht ermöglicht Vertrauen. Und Vertrauen brauchen wir, um Nähe zulassen zu können.

Gott erschleicht sich diese Nähe nicht. Er ermöglicht sie, indem er Licht ins Dunkel bringt. Nicht nur am dunkelsten Tag des Jahres.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38970
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