Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16DEZ2023
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Wenn alles glatt läuft, spricht bald niemand mehr drüber. Aber wenn etwas mal daneben geht, dann erzählt man sich noch Jahre später davon. So wie beim 60sten Geburtstag meiner Mutter. Mit der Familie waren wir wandern und saßen abends in einer Gaststätte. Zur Feier des Tages wollten wir vor dem Essen anstoßen. Doch statt des Aperitifs „Kir Royal“, einem Glas Sekt mit Johannisbeerlikör, haben wir einen Eisbecher „Kir Royal“ bekommen. Nunja… den Hauptgang haben wir anschließend kaum geschafft, aber der Stimmung hat das nicht geschadet. Bis heute lässt uns der Eisbecher zum Aperitif über den schönen Tag schmunzeln. Nicht perfekt, aber nachhaltig in der Erinnerung.

So kann es einem vielleicht auch mit Weihnachten gehen.

Wenn ich mir die Weihnachtsgeschichte anschaue, ist auch damals nicht alles perfekt gelaufen. Maria und Josef sind zu spät dran und müssen in einem Stall übernachten, Sterndeuter suchen verzweifelt den richtigen Weg, und die ersten Gäste sind Hirten, die mit dem Geruch von Schafen direkt von der Arbeit kommen. Die Weihnachtsgeschichte ist voll von Unperfektem. Und doch war es genug. Maria, Josef, die Hirten und die Sterndeuter – sie alle haben gespürt: es ist etwas Besonderes passiert. Etwas, das ihr Herz erfüllt hat, und wovon sie nachher noch lange erzählt haben. Momente, in denen Gott auf einmal ganz nah war.

Daran will ich denken, wenn dem Weihnachtsbaum hier und da ein paar Zweige fehlen, wenn die Wohnung nicht auf Hochglanz geputzt ist und wenn ich es erst zwischen den Jahren schaffe, die Weihnachtspost zu schreiben. Und auch ein Streit darf mal sein. Weihnachten wird es, auch wenn nicht alles sauber oder nicht alles liebevoll, eben nicht alles perfekt ist. Dann nämlich, wenn ich mit einer Freundin ein intensives Gespräch über schwere Dinge führe und auf einmal im Raum etwas von der Botschaft der Engel spürbar wird: „Fürchte dich nicht“. Oder wenn mein Patenkind sich nicht nur die wohlgeformten Weihnachtsplätzchen, sondern auch die Missratenen in den Mund schiebt und dabei über das ganze Gesicht strahlt.

Entscheidend ist, gerade auch in den unperfekten Momenten, mein Herz zu öffnen. So, dass Begegnung möglich ist. Mit anderen und dadurch auch mit Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38957
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