SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

24DEZ2023
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Und: alles fertig für Heiligabend? Steht Ihr Baum schon? Vielleicht schon länger? Nadelt er sogar schon? Haben Sie alle Geschenke? Auch schon alles eingepackt? Das Abendessen vorbereitet?

Ich nerve Sie mit meinen Fragen? Entschuldigen Sie bitte! Ich will Ihnen wirklich keinen Stress machen. Ganz im Gegenteil!

Bevor Sie anfangen zu kochen und was Sie sonst für heute Abend noch vorbereiten müssen – bevor es also doch stressig wird: Da lade ich Sie heute Morgen ein, einen Moment innezuhalten. Und falls Sie heute keinen besonderen Stress haben, weil doch niemand kommt: Dann lade ich Sie gerade ein, auf diesen Moment zu achten. Und wenn da ein Gefühl von Einsamkeit nagt: das einfach mal eine Weile beiseitezuschieben. An diesem Heiligmorgen. So nenne ich diesen Morgen einfach mal.

Einen Heiligmorgen gibt’s nicht jedes Jahr. Das ist schon was Besonderes, wenn Heiligabend auf einen Sonntag fällt. Wenn man nicht noch auf den letzten Drücker durch die Geschäfte hetzt. Sondern wenn eigentlich schon der Morgen was abkriegt vom Heiligen Abend. Eine Schippe Sternenglanz. Was auch immer Sie also heute beschäftigen mag – achten Sie auf diesen warmen Glanz, der heute Morgen schon durchschimmert.  Von den Sternen, die erst später leuchten werden.

Noch ist es nicht ganz so weit. Wir warten noch. Das passt aber zu diesem Tag. Denn eigentlich ist ja heute der vierte Advent. Und Advent – das heißt Ankunft. Christus kommt. Aber noch ist er unterwegs. Wir warten.

Warten, das ist ja eher unbeliebt. Man denkt an Schlangestehen, volles Wartezimmer. Man ärgert sich über die verlorene Zeit und ist in Gedanken schon ganz woanders. Aber Warten am Heiligmorgen, Warten auf den Sternenglanz, der kommen wird und von dem ich jetzt schon ein bisschen erhasche: Das könnte ein gutes Warten sein. Ein Warten, das seinen eigenen Sinn hat. Warten darauf, dass es gut wird. Dass alles heil wird.

Ob sich das Warten lohnt? Vielleicht. Hoffentlich! Der Advent ist keine Zeitverschwendung, sondern Zeit für Hoffnung. Jetzt ist der Morgen, jetzt ist der neue Tag. Jetzt liegt etwas vor uns.

Diesem Glanz spüre ich an diesem Heiligmorgen nach. Ich merke, dass noch etwas vor mir liegt. Obwohl ich auch spüre, dass ich älter geworden bin und mehr Zeit hinter mir liegt als vor mir. Aber was weiß ich schon, was noch kommt! Und wenn ich keine besonderen Erwartungen mehr habe – was weiß ich, ob ich mich da nicht tüchtig irre! Ich ziehe mir eine warme Decke über die Schultern und will mit offenen Augen und Ohren warten. Mit wachen Sinnen für meine Umgebung. Den Sternenglanz suchen, der sich da versteckt. Jetzt, am Heiligmorgen. Einen Moment nur sehen, hören, spüren.

Vergangene Advents- und Weihnachtstage ziehen vorbei. Jeder lässt etwas Besonderes zurück. Und ich merke, es ist nicht einfach vergangen. Jetzt ist es ja da: lebendige Erinnerung! Stimmen, Bilder, und: ja, Sternenglanz. Auf den Gesichtern. In Stuben, die es so nicht mehr gibt. Sternenglanz in meinem Herzen. Auf meinem Mund, in meinen Augen.

Der Heiligmorgen ist ein Moment voller Geschenke. Manche sehe ich nur, wenn ich nach innen schaue. Vielleicht bin ich aber auch von ihnen umgeben: von Momenten, in denen ich zufrieden bin, wo jemand ein gutes Wort für mich hat oder eine liebevolle Geste. Sie mögen eher klein wirken, diese Geschenke. Vielleicht sogar armselig. Jedenfalls nicht ausreichend, um alles gut zu machen. Aber das macht nichts. Ihren Glanz und Schimmer haben sie doch.

Und sie haben eine wichtige Botschaft, diese Geschenke am Heiligmorgen: Gib die Hoffnung nicht auf! Lass dich nicht unterkriegen! Vergiss über dem Schweren oder sogar Schrecklichen im Leben nicht das Schöne. Vergiss es vor allem dann nicht, wenn das Schreckliche überhandnehmen will. Halte dich fest an dem Schönen. Lass dich davon stark machen!

Und hör‘ nicht auf, nach vorne zu schauen. Heute ist ja auch der vierte Advent. Da heißt es, hoffnungsvoll zu warten auf das, was noch kommt. Und es gibt schon Zeichen, dass da noch was kommt. Die fallen oft nicht direkt ins Auge. Aber sie sind da. Glücksmomente, hier einer und dort einer, zwischendurch, versteckt – doch wenn ich auf ihren Glanz achte, dann finde ich sie.

Und deshalb habe ich Sie eingeladen, heute Morgen einen Moment innezuhalten. Weil dieser Morgen schon etwas abkriegt vom Glanz von Heiligabend: eine Schippe Sternenglanz, von den Sternen, die heute Abend leuchten werden.

In der Bibel beschreibt der Apostel Paulus den Glanz von Heiligabend so: „Als die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, in der Welt erschienen ist, machte er uns selig.“

Freundlichkeit. Menschenliebe. Seligkeit. Das sind Stichworte für den Heiligmorgen. Darauf dürfen wir warten, voller Hoffnung. Und nach vorne schauen! Denn das ist es, was kommt.  

Ich wünsche Ihnen einen schönen Heiligmorgen! Und heute Abend einen gesegneten Heiligabend!

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