SWR1 Begegnungen

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10DEZ2023
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Sr. Nicola Maria Schmitt Foto: Heinz Heiss

… und mit Schwester Nicola Maria Schmitt. Ich treffe die Ordensfrau im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart. Sie arbeitet dort als City-Seelsorgerin. Wir sitzen drin, am großen Tisch, es ist mitten im Advent. Draußen: Weihnachtstrubel. Das Haus der katholischen Kirche ist direkt auf der Königstraße, der Stuttgarter Einkaufsmeile. Rund 800 Leute gehen da jeden Tag rein und raus. Die einen kommen zum Kaffee trinken, die anderen gehen zu einer Veranstaltung, und manche wollen ganz gezielt mit jemandem im Seelsorgezimmer reden.

Schwester Nicola Maria erklärt, die Menschen, die jetzt in den Tagen vor Weihnachten kommen …

… sind im Bummelmodus, sage ich jetzt mal, und von daher schon auch anders gestimmt. Also sie suchen dann auch einen Raum, wo sie sich ausruhen können aus dem Trubel.

So hab ich‘s auch gemacht, ich genieße die halbe Stunde hier vor unserem Gespräch. Hole mir Kaffee, schaue durch das Glasdach in den Himmel und lehne mich in meinem Sessel zurück. Für einen kurzen Moment bei mir ankommen, wie man so schön sagt. Dass ich Schwester Nicola Maria begegnen darf, tut mir obendrein gut. Weil sie so freundlich und entspannt ist, ganz ohne Hektik. Und das in diesen Tagen.

Besinnliche Adventszeit wünscht man sich gegenseitig. Da lache ich manchmal innerlich über mich selber, in welchen Druck ich mich bringe und habe aber dann jetzt die letzten Jahre für mich entschieden, dass ich immer zwei Wochen vor dem ersten Advent mache ich eine Woche Urlaub.

Und dann ist sie mit ihrem Team bereit, für andere. Damit die im Advent ankommen können. Denn genau das bedeutet das Wort Advent. Es kommt aus dem lateinischen; adventus ist „die Ankunft“. Christen feiern jedes Jahr die Geburt und die Ankunft Jesu in der Welt.
Schwester Nicola Maria macht die Erfahrung, dass man ankommen gar nicht selbst in der Hand hat.

Es braucht ja auch jemand, der das dann ermöglicht. Und das ist für mich so etwas, wo es dann Türöffner braucht. Wo gehe ich denn hin, um anzukommen?

Und deswegen gibt es dieses Jahr einen besonderen Adventskalender im Haus der katholischen Kirche. Im Eingangsbereich ist ein Tor aufgestellt. Und da drin ist ein Bildschirm. Bis Heiligabend können Besucher jeden Tag ein virtuelles Türchen öffnen:

Und da sind dann kleine Videoclips drauf, in denen die Professionellen die Türen öffnen für ihre Gäste, also für ihre Klientel.

Diese Videos richten sich zum Beispiel an Menschen, die krank sind oder einsam. Oder erzählen von Angeboten für junge Leute. Oder für diejenigen, die fremd in der Stadt sind. Kirchliche Einrichtungen rund um Stuttgart haben die Videos gedreht und wollen signalisieren:

Bei uns kannst du ankommen, bei uns kannst du da sein, wir sind für dich da.

Wir sind mitten im Advent und mit Schwester Nicola Maria Schmitt spreche ich über das Ankommen, denn das bedeutet das Wort Advent übersetzt. Die Ordensfrau ist City-Seelsorgerin im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart, mitten auf der Königstraße. So wie ich ab und zu kommen viele Leute ins Haus, jeden Tag, und gönnen sich eine kurze Pause. Kaffee genießen, durchschnaufen.

Aber es geht ja gleich wieder weiter und so sind wir eigentlich eine Transferstation hier. Also ein Ankommen ist eher ein prozesshaftes Geschehen in unserem Alltag. Wo man kurz ein Innehalten hat. Aber um wieder Kraft zu haben für das nächste.

Mich treibt eine Frage um, die über diesen kurzen „Ich-bin-bei-mir-Kaffee-Moment“ hinausgeht. Ich frage Schwester Nicola Maria, ob es denn jemals einen Zustand gibt, bei dem ich sagen kann: Ich bin bei mir angekommen?

Man ist nie angekommen. Die eigentliche Ankunft ist glaube ich dann, wenn ich sterbe. Also dann beginnt noch mal ein neues Leben. Und diese Sehnsucht, immer noch reifer zu werden, also bei mir anzukommen, die ist damit ja mein Leben lang nicht gestillt.

Das heißt also: Wenn ich bei mir angekommen bin, bin ich bei Gott angekommen?

Für mich als Christin ja. Ankommen heißt für mich da immer mehr, die zu werden, die Gott sich erdacht hat und dem auf die Spur zu kommen. Es ist ein Reifeprozess. Ich bin auch nicht mehr die, die ich vor 20 Jahren war und bin froh drum. Ich würde keinen Tag missen wollen, egal durch welche Krisen und Freuden ich gegangen bin.

Schwester Nicola Maria ist glücklich mit ihrer Aufgabe im Haus der katholischen Kirche, man könnte sagen: In dieser Aufgabe ist sie angekommen Und gleichzeitig darf sie trotzdem nicht zu sehr daran festhalten; und das finde ich ganz schön hart.

Ich lebe ja als Ordensschwester auch die drei Gelübde Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit. Das heißt, mich nirgends auch so fest zu machen, als dass ich nicht jeden Tag woanders hingestellt werden könnte, wenn ich gerufen werde. Also ganz im Hier und Jetzt zu sein.

Und genau so wird es auch am Heiligen Abend sein. Schwester Nicola Maria und ihre Stuttgarter Mitschwestern fahren nicht wie so viele andere Menschen an Weihnachten nach Hause, nicht in ihr Mutterhaus, ins Kloster Untermarchtal in Oberschwaben.

Wir feiern immer da, wo wir eingesetzt sind. Weil unsere Aufgabe ist dann da zu sein, wo unser Auftrag ist.

Das bedeutet: Wenn das Haus der katholischen Kirche schließt und Ruhe auf der Königsstraße einkehrt, hilft Schwester Nicola Maria den Mitschwestern im Marienhospital. Eine andere bleibt in der Bahnhofsmission. Eine dritte in einer Kirchengemeinde.

Und wir feiern dann Heiligabend, wenn alle aus ihren Aufgaben zurückkommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38940
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