SWR3 Gedanken

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14DEZ2023
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Ich sitze mit Carsten in der Kneipe. Wir landen schnell bei dem Thema schwierige Gespräche.
„Manchmal fehlen mir die richtigen Worte, wenn mir jemand seine Not anvertraut“, sagt Carsten. "Auf keinen Fall will ich so Vertröstungssätze wie ‚Kopf hoch‘ oder ‚Wird schon wieder‘ stammeln."

Wenn jemand richtig traurig ist, bleibt der Kopf unten, und es wird eben nicht so schnell wieder. Neulich hat mir Dirk erzählt, dass er sich mit seinen Eltern völlig zerstritten hat. Und wie schlecht es ihm damit gehe. Ich hätte gerne gesagt ‚ich bete für Dich, Dirk‘, aber das hätte er vermutlich komisch gefunden.

Dann fiel mir ein, dass meine katholische Cousine in Kirchen gerne Kerzen anzündet und dann einen Moment still davor stehen bleibt. Sie betet dann für eine Person, die ihr am Herzen liegt.

Also habe ich zu diesem Freund gesagt: „Du, das tut mir leid. Weißt du was – ich zünde eine Kerze für dich an!‘ Er hat genickt und sich bedankt. Und ich habe dann wirklich eine Kerze für ihn angezündet. Und in Gedanken gesagt: ‚Du, Gott, du weißt bestimmt Bescheid über den schlimmen Streit. Bitte kümmere dich um Dirk.‘“
„Und?“, frage ich, „hat sich was verändert?“
Carsten lächelt: „Ich habe Dirk noch nicht wieder gesehen. Aber ich mache das jetzt öfters, Kerzen anzünden für Menschen, um die ich mir Sorgen mache.“
„Und dann?“, ich bin neugierig.
„Dann gebe ich diese Sorgen Gott und ich kann wieder normaler mit ihnen umgehen. Ohne dieses krampfige Gefühl, unbedingt was Tröstliches zu sagen. Und das ist, glaube ich, genau richtig.“
Ich stimme ihm zu: „Ja, das klingt wirklich genau richtig.“

Als ich wieder zu Hause bin, zünde ich eine Kerze an. Für Dirk. Und für Carsten.

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