Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11DEZ2023
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Manchmal kann etwas Großes und Majestätisches ganz verletzlich sein. Das ist nicht nur bei Menschen und Tieren so, sondern auch bei Bergen und Gletschern. So mächtig diese majestätischen „weißen Riesen“ sind, so verletzlich sind sie.

Zum Glück gibt es Menschen wie Claudio Smiraglia. Er ist Forscher an der Universität Mailand, und er liebt Gletscher und möchte sie retten.

Zum Beispiel den Forni-Gletscher im Veltlin in der Lombardei. Den kennt Claudio Smiraglia seit sechzig Jahren. Er spricht über Gletscher, als ob sie Menschen wären. Er sagt: „Wie Lebewesen verändern sich Gletscher im Laufe der Jahre und sogar im Laufe eines einzigen Tages. Der Gletscher wird geboren, vollzieht eine Entwicklung, er hat Rückschläge und stirbt.“ 

Bis in die 1990er Jahre galt der Forni-Gletscher mit seinem Ausmaß von dreizehn Quadratkilometern als der größte Gletscher in Italien. Inzwischen misst er nur noch elf Quadratkilometer. Claudio Smiraglia deutet das so: „Wie ein alter Riese verliert der Forni-Gletscher im Alter etwas von seiner Erhabenheit.“ Der Gletscher-Forscher macht sich aber auch große Sorgen, weil die Geschwindigkeit viel zu hoch ist, mit der dieser Gletscher abnimmt. Denn mit dem Eis schwindet auch der Permafrost, der die Felsen um den Gletscher herum zusammenhält. Und das ist gefährlich.

Smiraglia und sein Mailänder Forscherteam haben nun etwas Verrücktes ausprobiert. Sie haben damit an einem anderen Gletscher angefangen. Weil ihr Experiment dort besonders gut funktioniert. Mit einer riesigen weißen Kunststoffdecke schützen sie einen Teil dieses Gletschers vor zu viel Sonneneinstrahlung. Die Forscher haben es überprüft: Eis und Schnee bleiben unter dieser Kunststoffdecke weitgehend erhalten.

Leider kann man so nicht den ganzen Gletscher retten. Aber man kann immerhin einen Teil von ihm eine Weile schützen.

Smiraglia und seine Forscher unternehmen all die Anstrengungen aus Liebe. Aus Liebe zu den Bergen und den Gletschern, einfach zur ganzen Natur. Deshalb haben sie etwas ausprobiert, was tatsächlich hilft.

Bei Smiraglia und seinen Gletschern hat nicht Resignation das letzte Wort. Sondern Anpacken und Mut. Smiraglia wollte eine Stelle schützen, die besonders verletzlich ist. Gut, es ist ein bisschen verrückt, so einen mächtigen „Riesen“ einzupacken. Aber an einer einzigen Stelle etwas zu tun, wenn etwas ganz Großes verletzlich geworden ist, das ist wohl immer verrückt. Aber es wirkt, und das ist riesig. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38918
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