Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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22DEZ2023
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Jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt denke ich an die Geschichte vom verlorenen Schaf. Ich weiß: Diese Geschichte spielt nicht im Advent. Jesus erzählt sie als Erwachsener, um zu beschreiben, dass Gott wie ein Hirte ist. Wie einer, der sich um ein einzelnes verlorenes Schaf Sorgen macht und alle anderen zurücklässt, bis er es wiederfindet. Ähnliche Sorgen hatte ich mal auf dem Weihnachtsmarkt. Da ist zwar kein Schaf verloren gegangen, aber der Sohn von Freunden. Unsere drei Kinder und deren drei Kinder hatten viel Spaß an den Buden. Auf einmal waren es nicht mehr sechs, sondern nur noch fünf Kinder. So sehr wir gesucht haben im Gedränge – vom sechsjährigen Simon keine Spur. Je länger Simon verschwunden war, desto größer wurde die Sorge. Was tun? Anders als im Gleichnis vom verlorenen Schaf hatten wir es einfacher. Wir hatten nicht 100 Schafe zu beaufsichtigen, sondern nur 5 Kinder - und waren nicht ein Hirte, sondern 4 Erwachsene. Die Suche ging los. Ich werde nie vergessen, wie das war, als ich ihn endlich gefunden habe: Wie große Gelassenheit und große Sorge aufeinanderprallen können. Er hat sich gar nicht verloren gefühlt, er hat fasziniert an einem Stand mit Blechspielzeug gestanden, hat uns und die Zeit vergessen und ist sichtlich erstaunt gewesen, als ich gerufen habe – „Da bist Du ja, Simon, Gott sei Dank!“ Ende gut, alles gut. Es gab eine Extra Zuckerwatte.

 Auf jeden Fall denke ich seitdem beim Weihnachtsmarkt an das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Und beim Gleichnis vom verlorenen Schaf denke ich: Kann es sein, dass ich oft gar nicht weiß, dass mein Weg mich von anderen, die mich beschützen oder mir guttun, wegbringt? Kann es sein, dass ich manchmal alles um mich herum vergesse und etwas verfolge, was mir irgendwann zu schaffen machen könnte? Simon hätte bestimmt irgendwann Angst bekommen.

Ich glaube an einen Gott, der seine Augen überall hat, und sich sorgt. Und der, wenn ich den Weg nicht finde, überall einen Weg sich bahnt, um mir zu helfen. Das kann sehr überraschend sein. Und beruhigend - auch im größten Gewimmel wird einer mich nicht vergessen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38916
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