SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

03DEZ2023
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„Tochter Zion, freue Dich“ – Das Lied zum heutigen Sonntag ist so ein schönes Adventslied. Es klingt so festlich und so schreitend läutet es die Weihnachtszeit ein. Aber dieses Jahr stocke ich so wie die Bläser, die eben immer wieder neu angesetzt haben. „Tochter Zion, freue Dich“ richtet sich im übertragenen Sinn an Zion, den Burghügel von Jerusalem, der im Liedtext wie eine Person angesprochen wird. Nur – auf Zion, in Jerusalem, in Gaza, im Heiligen Land gibt es aktuell keinen Grund zur Freude. Trauer und Gewalt haben das Land im Griff. Wenn ich an Israel und den Zionsberg denke, habe ich eher Sehnsucht nach sanfteren Tönen:

See, the conqu’ring hero comes!

Sound the trumpets, beat the drums.

Sports prepare, the laurel bring,

Songs of triumph to him sing.

In dieser englischen Liedvariante geht es darum, dass ein Held in einer Stadt ankommt, die er erobert hat. Die Leute empfangen ihn mit Jubel, sie spielen Trompeten und Pauken. Es herrscht Triumphstimmung. Das Musikstück war so ein Erfolg, dass Georg Friedrich Händel es immer wieder verwendet hat: 1746 für das Oratorium „Joshua“ und fünf Jahre später in „Judas Makkabäus“. Beide Werke erzählen vom Volk Israel, das sein Land erobert und seine Freiheit behauptet. Die Nazis haben das Lied später zeitweise deshalb verboten.

Friedrich Heinrich Ranke hat den Text von „Tochter Zion“ um 1820 ins Deutsche übersetzt. In den englischen Fassungen besingt man Josua und Judas Makkabäus, bei Ranke richtet es sich jetzt an Jesus. Er denkt dabei an den Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem einzieht und vom Volk mit „Hosanna“-Rufen begrüßt wird.

Hosianna, Davids Sohn!

Sey gesegnet deinem Volk!

Gründe nun dein ew’ges Reich,

Hosianna in der Höh!

Hosianna, Davids Sohn!

Sey gesegnet deinem Volk!

Mit diesem Bezug auf Jesus von Nazareth ist ein neuer Schwerpunkt gesetzt. „Tochter Zion“ passt deshalb auch zu Weihnachten: Da feiern Christen, dass mit Jesus Gott in der Welt angekommen ist. Jesus ist ja kein kriegerischer Held, der mit Gewalt zum Ziel kommen will. Für ihn zählen andere Maßstäbe als die von Überlegenheit und Gewalt, für ihn sind die Schwachen, die Bedürftigen und die Sanftmütigen, die Helden und Gewinner.

Zu Weihnachten wünsche ich mir, dass die friedlichen Ideen wieder einziehen in unsere Welt. In der Ukraine, in Israel, in Gaza und überall, wo Krieg herrscht. Ich wünsche mir, dass die Menschen dort erleben können, welche Macht sie haben, wenn sie statt Rache und Vergeltung Versöhnung üben und Frieden suchen. Das ist in meinen Augen nicht nur mächtig, sondern souverän. Denn ein Friede, der nicht auf dem Sieg der Stärkeren beruht, sondern auf dem Wohlwollen und Glück für alle, ist dauerhafter und sicherer. Darauf hoffe ich und diese Vision bejuble ich mit Trompeten und Pauken: 

Tochter Zion freue dich,

jauchze laut, Jerusalem!

Sieh, dein König kömmt zu dir

ja, er kömmt, der Friedefürst,

Tochter Zion freue dich,

jauchze laut, Jerusalem!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38877
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