SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

07DEZ2023
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Es kommt immer wieder vor, dass Kinder eine Schreckschusspistole zum Spielen in  die Schule mitbringen. Das geht in der Schule gar nicht. Als Schulleiter spreche ich mit den Kindern, wenn so etwas vorgefallen ist. Dabei geht mir aber immer wieder durch den Kopf, wie das noch in meiner Kindheit war. Wir haben das ganze Jahr über immer wieder „Cowboys und Indianer“ gespielt. Am Anfang haben wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt und uns dann in den Gärten in der Nachbarschaft oder im Wald versteckt und uns gegenseitig überfallen. Mal musste ein Holzstecken in der Phantasie die Waffe ersetzen, manchmal hatten wir von Fasching noch Spielzeugwaffen. Wir haben Gefechte ausgetragen und geschossen und wenn einer getroffen war, musste er aussetzen. Natürlich hat das nicht lange gedauert, dann hat man als Getöteter gerufen „ich lebe noch“ oder „ich lebe wieder“ und schon war man wieder mit im Spiel. Das war spannend, aber aus heutiger Sicht war es auch unbedarft und naiv.

Im Vergleich zu früher haben sich die Umstände gewaltig gewandelt. Wir haben den Amoklauf in Winnenden erlebt oder den Vorfall, dass in Offenburg ein Schüler einen anderen Schüler erschossen hat. Das Spiel aus meiner Kindheit ist da bitterer Ernst geworden.

Einerseits tun mir unsere Kinder heute leid. Denn so naiv unsere Spiele auch waren, sie zeigen in ihrer Unbedarftheit, dass wir in einer sicheren Welt groß geworden sind. Das ist heute nicht mehr so.

Die Kinder von heute können sich so eine Naivität wie wir sie früher hatten nicht mehr erlauben. Aber ich hoffe, dass ihnen das nicht schadet. Ich hoffe, dass sie einst, wenn sie erwachsen werden, mit noch mehr Ernsthaftigkeit an einer Welt bauen, in der Gewalt keine Chance hat. Weder im Spiel noch im Ernst. Alle Pädagogen und Eltern und alle, die mir Kindern arbeiten, müssen das mit den Kindern klären – sowohl, dass wir heute andere Zeiten haben als wir Erwachsene sie noch erlebt haben, als auch, dass diese Spiele keine Spiele für Kinder sind. Unsere Welt ist im Augenblick von Krieg und Gewalt geprägt, und man könnte meinen, dass nur das Recht des Stärkeren zählt. Ich will unseren Kindern und Jugendlichen aber zeigen, dass es ein Gewinn für alle ist, wenn nicht Gewalt über das Schicksal entscheidet, sondern der Mensch. Und zwar der Mensch, der souverän ist und nach Frieden sucht.

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