SWR4 Abendgedanken
Ich hatte eine echt blöde Woche und ich habe mich viel zu viel geärgert.
Eine Kollegin hatte gekündigt und die Stelle musste neu ausgeschrieben werden. Sowas kann ich aber nicht alleine entscheiden. Denn bei solchen Ausschreibungen sprechen alle möglichen Leute mit. Dienstvorgesetzte, die Mitarbeitervertretung und die Personalabteilung. Natürlich möchte ich die neue Stelle so schnell wie möglich besetzen, weil meine andere Kollegin und ich sonst alles auffangen müssen. Und wir haben weiß Gott schon genug zu tun.
Was mich geärgert hat: Die ersten Mails von mir wurden teilweise einfach nicht beantworten. Aber mir saß diese Ausschreibung im Nacken. Also schreibe ich nochmals. Drängender. Es kommt eine Antwort. Aber nur: Der und der ist gerade im Urlaub oder das und das muss mit der Abteilung noch abgesprochen werden. Und so zieht sich das Ganze in die Länge.
Irgendwann werde ich im Ton echt ruppig. Und plötzlich geht es.
Die ganze Sache hat mich an sich schon genug Nerven gekostet. Aber was mich besonders geärgert hat: Warum muss ich erst unangenehm deutlich werden, bis etwas läuft und mir jemand zuhört? Eigentlich will ich so nicht sein.
Und dann weiß ich nur zu gut, was Jesus dazu sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
In solchen Situationen fällt mir beides schwer. Meinen Nächsten zu lieben, der mir nicht antwortet oder nicht so, wie ich will. Und mich selbst mag ich in solchen Situationen auch nicht mehr. Weder, wenn ich mich so ärgere, noch, wie ich dann meinen Ärger an anderen auslasse.
Mir hilft dabei ein Gedanke, den eine Kollegin neulich zu mir gesagt hat:
Es ist wichtig, sich immer auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber zu unterhalten. Noch besser ist es aber, sich auf Herzhöhe zu begegnen. „Herzhöhe“…was für ein wunderschönes Wort.
Das heißt: Ich kann versuchen, mein Gegenüber zu verstehen und mich nicht über ihn zu stellen. Und mehr noch: Ich kann immer versuchen, egal, wie die Situation auch ist, wohlwollend und freundlich zu bleiben.
Meinen Nächsten zu lieben ist manchmal wirklich schwer, aber ihm auf „Herzhöhe“ zu begegnen… ich glaube, dass krieg ich hin.
Wenn ich das nächste Mal wieder so dasitze und mich aufrege, werde ich kurz meine Augen schließen, durchatmen und mich an die „Herzhöhe“ erinnern.
Und erst dann werde ich anfangen meine nächste Mail zu schreiben.
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