SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

21NOV2023
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Eine Woche Schweigen. Nur Stille, keine Ablenkung. Mit niemandem sprechen, außer mit mir selbst. Und vielleicht mit Gott. Weil ich das schon immer mal ausprobieren wollte, verbringe ich eine Woche schweigend im Kloster. Denn in meinem Alltag ist es eigentlich nie so richtig still. Jede noch so kleine Pause fülle ich mit etwas. Der Bus hat Verspätung? Ich checke nochmal kurz meine Mails. Ich muss ein paar Stunden lang Bahn fahren? Die nächsten Folgen meiner Lieblingsserie hab ich schon heruntergeladen. Ich hab mir immer vorgestellt, dass es bestimmt erholsam sein muss, wenn mal alle Ablenkungen wegfallen. Aber als es dann so weit ist, überfordert mich diese Stille erstmal. Den eigenen Gedanken und Gefühlen nicht mehr ausweichen zu können, das ist überhaupt nicht entspannend, sondern richtig anstrengend. Ich brauche Zeit, mich an das Ganze zu gewöhnen. Zwischendurch hole ich oft mein Buch raus. Aber ich versuche von Tag zu Tag immer öfter ein paar Stunden nur dazusitzen und bei mir zu sein. Dabei merke ich: Stille verändert. Wenn das Gedankenkarussell aus Alltag und Arbeit irgendwann stehen bleibt, ist da plötzlich Raum für die großen Fragen und Gefühle. Auch schwierige – wie die Trauer um einen lieben Menschen, die ich bisher verdrängt habe. Auch wenn es schmerzhaft ist; letztendlich tut es mir gut, diese Gefühle ganz bewusst anzuschauen. Dabei löst sich manches, das ich mit mir herumgeschleppt habe, von selbst auf. Und anderes kann ich im Gebet an Gott abgeben. Nach dieser Zeit im Kloster habe ich das Gefühl, in mir selbst eine Ruhe wiedergefunden zu haben. Ich bin aufmerksamer für mich und meine Bedürfnisse – das ist ein gutes Gefühl. Ob ich deshalb noch mal eine Woche schweigen werde, weiß ich nicht. Aber die nächste Bahnfahrt; die verbringe ich mit mir selbst. Kein Buch und keine Serie. Nur ich und meine Gedanken.

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