SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

13NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich liebe den Herbst. Die bunten Blätter sind mittlerweile fast alle unten. Und ich finde es einfach immer wieder toll, wenn unser Hund fast in einem Blätterhaufen verschwindet. Weil alles so spannend riecht.

Schade – denke ich deshalb manchmal – dass der Herbst in Sprichwörtern nicht so richtig gut wegkommt, wenn es um das Leben geht. Wenn vom „Herbst des Lebens“ die Rede ist, klingt das immer so nach alt sein. Nach sich verabschieden. Nach Endlichkeit und sogar nach Sterben. Ich meine ja, es stimmt schon. Die Bäume verlieren ihre Blätter und manche Menschen verlieren ihre Haare. Die Blätter werden vorher bunt. Die Haare grau oder weiß.

„Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid. Ich trage euch, bis ihr graue Haare habt. Das habe ich getan und werde es weiter tun. Ich bin es, der euch trägt und rettet!“

Das sagt Gott, wenn es um den Herbst des Lebens geht. In der Bibel finden sich die Geschichten dazu, wie Gott die Menschen trägt: bis ins Alter und selbst dann noch immer weiter. Mose z.B. war schon nicht mehr der Jüngste, als er eine ganze Nation aus der Sklaverei führen sollte. Und auch die die ganzen 40 Jahre in der Wüste, hat Gott ihn begleitet. Und auch darüber hinaus. Oder wie Abraham und Sarah – beide hochbetagt – am Ende doch noch Eltern werden.

Vielleicht ist es ja genau das, was mit dem „Herbst des Lebens“ gemeint ist. Nicht, dass das Leben schon vorbei ist, sondern eher, dass da vielleicht nochmal was Spannendes passieren könnte. Dass ich auch nochmal was machen oder lernen kann, was ich bisher noch nie gemacht habe. Dass es bunt wird, voller Farbe.

Dass ich aber vielleicht selber die Farben anders wahrnehme als in früheren Zeiten in meinem Leben. Wann das sein wird, weiß ich auch nicht so genau – meinen Haaren nach zu urteilen, könnte das bei mir schon anfangen …

Deshalb verstehe ich das Bild vom Herbst des Lebens mittlerweile so, dass ich einfach schon einige Jahre auf unserer schönen Welt lebe. Dass ich vieles ausprobiert habe. Ganz viel Schönes erlebt habe und so manches, auf das ich auch hätte gerne verzichten können. Das alles hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und: es bedeutet für mich, dass ich eben nicht nochmal von ganz vorne anfangen kann. Ich kann kein Kind mehr sein. Und kein Teenager. Das will ich eigentlich aber auch gar nicht mehr. Und: Ja. Irgendwie heißt das auch, dass ich mir klar machen muss. Irgendwann ist mein Leben Mal zu Ende. Aber dazwischen liegt eine Zeit, die man Herbst des Lebens nennt. Bunt und farbenreich. Und auch in dieser Zeit gilt Gottes Versprechen für mich: „Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid.“ Gott begleitet uns zu jeder Jahreszeit – auch im Herbst und noch darüber hinaus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38750
weiterlesen...