SWR4 Abendgedanken

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06NOV2023
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Ich erzähle heute von Sonia und Oleksandr. Die beiden sind Künstler und leben zusammen mit ihren Kindern in Kiew, in der Ukraine. Bekannt geworden sind sie, weil sie ganz besondere Ikonen herstellen. Ihre Ikonen schreiben sie auf die Holzdeckel von Munitionskisten.

Man sagt tatsächlich Ikonen „schreiben“, nicht malen. Denn Ikonen herzustellen, wird als Gebet oder Meditation verstanden. Ikonen sind nicht einfach nur Bilder von Heiligen; sie haben eine Botschaft. Sie erzählen vom Reich Gottes, von einer Welt, in der Gottes Spielregeln gelten - Liebe, Hoffnung, Barmherzigkeit, Vergebung.

Sonia und Oleksandr haben mittlerweile mehrere hundert dieser Ikonen geschrieben und ihre Botschaft ist klar: Es ist der Traum vom Frieden in der Ukraine. Den träumen sie schon seit 2014. Als der Krieg im Donbas begonnen hat, haben sie zum ersten Mal Kunst aus Munitionskisten gemacht.

Ich habe mir diese Ikonen in einer Ausstellung angesehen und Sonia und Oleksandr dabei getroffen. Mich hat sehr berührt, was Sonia erzählt. Wenn sie Ikonen schreibt, dann spürt sie etwas, das sie heilt. Dann wird das Leben wieder etwas leichter. Sie sagt: „Ich kann nicht zeichnen, ohne an Gott zu glauben, daran, dass alles gut wird.“ Und: „Ich kann nur malen, weil ich keinen Hass im Herzen habe.“

Mit ihrer besonderen Kunst wollen die beiden zusammenbringen, was kaum vorstellbar ist: Den Tod mit dem Leben, den Krieg mit dem Frieden; und Munitionskisten mit der Botschaft vom Heil, von einem guten Leben für alle. Sonia und Oleksandr belassen es aber nicht bei einer Botschaft durch die Kunst. Sie helfen damit auch ganz konkret: Weil sie ihre Ikonen verkaufen und mit dem Erlös ein mobiles Krankenhaus in der Ukraine finanzieren. Für Soldaten, die im Krieg verwundet werden.

Die Ikone, die mich am meisten beeindruckt, ist eine Darstellung des heiligen Petrus. Auf diesem Deckel der Munitionskiste ist noch ein Stück ursprüngliches Metall vorhanden. Es hat die Form eines Stabes. Sonia und Oleksandr haben das Metallstück in die Ikone integriert. Es wird dabei zum Hirtenstab. Aus dem, was fürs Töten gemacht war, ist etwas Nützliches geworden, ein Symbol für den Schutz und fürs Kümmern. Da habe ich verstanden, was im Alten Testament der Bibel über den Frieden gesagt wird: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“ (Micha 4,3)

Ich schreibe keine Ikonen. Aber ich schreibe Texte und spreche sie hier im Radio. Auf meine Weise möchte ich die Botschaft dieser Ikonen weitertragen. Denn nichts ist wichtiger, als dass Frieden wird. In der Ukraine und in Israel. Und auch hier unter uns in Deutschland.

Die Ikonen-Ausstellung ist noch bis zum 19. November in Nürtingen zu sehen: https://stjohannes-nuertingen.drs.de/ikonenausstellung.html

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38729
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