SWR2 Wort zum Tag

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03NOV2023
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Fast jeden Tag kann ich das kleine Schauspiel bewundern. Ein Kind, an der Hand eines Erwachsenen, das plötzlich vor unserem Haus stehen bleibt. Im Belag des geteerten Weges gibt es da nämlich eine kleine Vertiefung. In der steht selbst dann noch das Regenwasser, wenn der Weg selber schon lange trocken ist. Die Kinder entdecken die kleine Dauerpfütze sofort. Und treten lustvoll in das aufspritzende Nass.  

Ich beneide Kinder um diese Gabe: Sie entdecken etwas, was die meisten Erwachsenen gar nicht wahrnehmen. Und sie haben offenkundig ihre große Freude daran. Wenn ich dann wieder eines der Kinder beim Pfützentreten beobachte, fällt mir manchmal ein Satz Jesu ein: „Wenn ihr nicht werdet wie diese Kinder, bleibt das Reich Gottes für euch verschlossen.“ (Matthäus 18,3) Ich gebe zu: Ich habe diesen Satz lange nicht wirklich verstanden. Kinder haben doch noch so wenig Lebenserfahrung. Kennen sich in den Problemzonen des Lebens so wenig aus – wie sollen sie für mich Türöffner ins Himmelreich werden können? Jesus antwortet mit diesem Satz, als seine Freunde ihn fragen, wer denn der Größte sei im Himmel. So, als ob sich das Spiel von oben und unten, von wichtig und unwichtig, von groß und klein immer weiter fortsetzt.

Genau diesem Denken stellt Jesus das Beispiel der Kinder gegenüber. Natürlich: Kinder haben auch ihre Machtkämpfe. Sie können sich richtig streiten. Aber es geht nicht um Sein oder Nichtsein. Kinder, so verstehe ich diesen Satz, bleiben im Übungsmodus. Probieren und verwerfen. Erfinden das Leben immer wieder neu. Ihre Art zu leben hat etwas Spielerisches. Alles kann noch einmal neu und ganz anders werden. Und doch sind sie in diesem Spiel des Lebens mit Ernst bei der Sache. Und entdecken für sich Möglichkeiten, an denen wir Erwachsenen achtlos vorbeigehen.

 

So entdecke ich im Strahlen auf dem Gesicht der kleinen Pfützentreter eine kleine Vorahnung des Himmels. Freude pur. Für einen Moment. Ehe dann wieder anderes wichtig wird. Der Käfer, der weiter vorne über den Weg läuft. Vielleicht auch Mama oder Papa, denen das jetzt doch zu lange geht, weil sie ihre Erwachsenentermine haben. Aber wenn ich nachher aus dem Haus gehe, will ich’s den Kindern einmal nachmachen. Ich will mir Zeit lassen. Womöglich auch einmal in die Pfütze treten. Und schauen, wo ich heute schon ein Stück Himmelreich entdecken kann.

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