SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01NOV2023
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Warm leuchtend, reich verziert mit Gold und Silber und beschienen von Kerzen in goldenen Leuchtern, die von der Decke herabhingen.  Das war die Atmosphäre, in die ich in einer Kirche in Griechenland – irgendwann diesen Herbst – eintauchen durfte. In ein warmes Leuchten. Ganz leicht hat es nach Weihrauch gerochen, und überall an den Wänden: Ikonen, die traditionell gemalten Bilder von Heiligen, die in der orthodoxen Kirche verehrt werden. Eine Ikone - ich glaube, es war die des Heiligen Nikolaus - stand frei auf einer Art Staffelei. Eine ganze Weile habe ich in der Kirche auf meinem geflochtenen Stuhl gesessen und beobachtet, wie immer wieder jemand hereinkam, einen kleinen Knicks vor dem Heiligen Nikolaus machte und vorsichtig seine Ikone küsste. Ich konnte sehen, wie die Lippen der Menschen sich bewegt haben. Wahrscheinlich ein leise gemurmeltes Gebet. Eine Bitte an den Heiligen vielleicht– vielleicht auch Dank…

Es war eine heilige Atmosphäre an diesem Ort. Und heute, am Feiertag „Allerheiligen“ merke ich, wie diese Atmosphäre in mir noch nachklingt. Ein Gefühl, dem Heiligen ganz nah zu sein, vielleicht sogar Gott selbst ganz nah zu sein. Obwohl - Gott ist so unvorstellbar groß, dass die Vorstellung auch beängstigend sein kann. Aber zum Glück sind da ja auch noch die Bilder der Heiligen. Vorbilder für den christlichen Glauben, die sich durch nichts haben abbringen lassen, von ihrem Vertrauen auf Gott. Warm leuchten ihre Gesichter auf den reich verzierten Ikonen. Wie das des Heiligen Nikolaus auf der Staffelei: Nikolaus war Bischof in einer Zeit, als Christen vom römischen Staat noch verfolgt wurden – auch er selbst. Aber trotzdem war er da für die Menschen seiner Gemeinde. Der Legende nach hat er sich vor allem um Kinder gekümmert, und sein ererbtes Vermögen hat er denen gegeben, die Unterstützung bitter nötig hatten.

Streng – und gleichzeitig gütig blickt Nikolaus heute den Menschen entgegen: auf seiner Ikone in der kleinen Kirche irgendwo in Griechenland.

Bei einer Frau, die kam, um zu beten, meine ich, Tränen in den Augen gesehen zu haben. Irgendetwas hat sie geplagt und ihr vielleicht Angst gemacht. Sicher hat sie Trost gesucht beim Heiligen Nikolaus in der heiligen Atmosphäre ihrer Kirche. Die Frau hatte vielleicht ihr Vertrauen zu Gott verloren. Aber der Glaube und das Vertrauen des Heiligen Nikolaus waren so groß, dass es sicher auch für die Frau gereicht hat. Bei ihm hat sie deshalb Kraft gesucht – und hoffentlich auch gefunden.

Wenn ich heute, an Allerheiligen, an die Frau und an meinen Besuch in der griechischen Kirche denke, dann sehne ich mich ein wenig nach dieser besonderen Atmosphäre des Heiligen. Der November beginnt, die Tage sind kurz und oft neblig und verregnet. Sie erinnern daran, dass das Jahr langsam zu Ende geht. Und wieder ein Jahr meines eigenen Lebens vergangen ist, und dass wir Menschen sterblich sind. Und dann sind da ja auch noch die Fragen nach dem, was kommen wird und was uns vielleicht Angst macht oder Sorgen bereitet. Manchmal verliere auch ich da mein Gottvertrauen.

Deshalb sehne ich mich nach etwas Trost und danach, mich dem Heiligen nah zu fühlen. Gott nah zu fühlen und der leuchtenden Wärme seiner Liebe zu uns Menschen. Genau wie die Frau in der Kirche in Griechenland. Ich fand damals, dass sie ein wenig besser ausgesehen hat, als sie schließlich die Kirche verlassen hat. Sie konnte von dem Heiligen etwas mitnehmen, was sie selbst verloren hatte.

Als sie damals ging, hat sie noch eine Kerze angezündet. Das habe ich auch getan. Und heute werde ich genau das wieder machen: in meiner Kirche eine Kerze anzünden, damit sie warm leuchtet und mir – und vielleicht auch ein paar anderen Besuchern – die heilige Nähe Gottes wieder nahebringt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38709
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