Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31OKT2023
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Heute feiern evangelische Christen den Reformationstag. Ein Tag, der auch für mich als Katholikin wichtig ist und den ich deshalb würdigen möchte.

„Da steh ich nun und kann nicht anders…“ dieser Ausspruch wird Martin Luther zugeschrieben. Er soll ihn beim Reichstag zu Worms 1521 gesagt haben. Erwartet wurde von ihm dort, dass er das, was er gelehrt hat, als falsch bezeichnet, also das, wovon er eigentlich überzeugt war, zurücknimmt. Der Satz: „Da steh ich nun und kann nicht anders…“ kommt verkürzt daher. Was er genau gesagt hat, lässt sich nicht mit Sicherheit rekonstruieren. Aber er hat seine Haltung begründet: „Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“

Das imponiert mir. Ich stelle mir diesen Mann vor, wie er aufrecht seinen Anklägern gegenübersteht – vielleicht verzweifelt ist, ob deren Engherzigkeit, und doch nicht bereit, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sondern treu zu dem zu stehen, was er vom Evangelium verstanden hat. Alle Achtung – da gehört Mut dazu! Standhaftigkeit und Rückgrat. Und eine gesunde Portion Demut und Gottvertrauen, wenn er sagt: „Gott helfe mir – Amen – so sei es“. Auf ihn verlässt er sich und auf niemand sonst.

Ich glaube nicht, dass Martin Luther eine Kirchenspaltung wollte, geschweige denn, dass die unterschiedlichen Glaubensrichtungen gegeneinander Kriege führen und sich die Köpfe einschlagen.

Er wollte die Verantwortlichen der Kirche eindringlich ermutigen, sich auf ihren Ursprung – auf Jesus Christus zu besinnen, um sich und ihm treu zu bleiben. Deshalb hat er die Missstände in der Kirche angeprangert. Luther hat offen gesagt, was er nicht in Ordnung gefunden hat –zum Beispiel, dass Gläubige gezwungen wurden, sich mit sogenannten Ablassbriefen von ihren Sünden freizukaufen.

Es ist über 500 Jahre her, dass Martin Luther die Christenheit aufgerüttelt hat und noch immer ist sein Anliegen höchst aktuell. Auch heute sollte es in den Kirchen darum gehen, weniger um sich selbst zu kreisen, sondern Menschen mit der Botschaft Jesu in Berührung zu bringen. Nicht um sie zu belehren, sondern um ihnen zu helfen, gut zu leben. Sie spüren zu lassen, dass sie in ihrer Not nicht alleingelassen sind, dass Versöhnung möglich ist, dass es immer Hoffnung auf einen Neuanfang gibt.

Als Seelsorgerin wünsche ich mir selbst etwas von diesem aufrechten Gang eines Martin Luthers. Ich möchte dafür einstehen, was mein Glaube ist. Auch wenn es unbequem wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38670
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