SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

29OKT2023
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Das Leben ist so kurz! Einen Moment lang musste ich innerlich schmunzeln, als eine Frau das neulich zu mir gesagt hat. Sie hat gerade ihren 95. Geburtstag gefeiert.

Aber natürlich hat sie recht. Egal, wie alt wir werden – unser Leben ist kurz. Jetzt im Herbst ist uns die alte Erkenntnis vielleicht näher als sonst. „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig, ist der Menschen Leben“ – ein Lied aus der Barockzeit besingt diese Erfahrung mit eindringlichen Worten.

Strophe 1–2, Windsbacher Knabenchor

Die Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges hatten den Dichter und Musiker Michael Franck geprägt, als er vier Jahre nach dem westfälischen Friedensschluss diese Verse schrieb – und Hunger, Armut und Tod waren im Land weiter allgegenwärtig. Das Leben der Menschen – vergänglich wie ein Nebel. Diese Erfahrung war überall noch mit Händen zu greifen.

Trotzdem spricht für mich aus dem Lied keine Verzweiflung. Besonders die Musik strahlt mit ihrem beschwingten Rhythmus eine fast heitere Gelassenheit aus.

Strophe 3, Zwischenspiel

Ja, es stimmt: Unsere Freude ist flüchtig. Auf Licht folgt wieder Dunkel, auf Friede Streit. Aber – es gibt sie, die Freude. Genauso wie die Schönheit und das Glück. Beides besingt das Lied mit seiner beschwingten Melodie. Als ob es sagen wollte: Die schönen Seiten des Lebens sind vielleicht nur von kurzer Dauer – umso wichtiger ist es, sich zur rechten Zeit daran zu freuen.

Strophe 4

Nicht nur Glück und Schönheit sind vergänglich. Auch mit unserem Besitz, der die Generationen überdauern soll, kann es schnell vorbei sein: Es kann Glut und Flut entstehen, dadurch, eh wir uns versehen, alles muss zu Trümmern gehen, dichtet Michael Franck. Die Bilder von Erdbeben- und Flutkatastrophen führen uns das auch heute ständig vor Augen.

Wenn also alles vergänglich, ja nichtig ist, stellt sich unweigerlich die Frage: Was ist dann wichtig – und warum? Für den Dichter ist die Antwort klar: Auf Gott zu vertrauen, hat einen bleibenden Wert. Denn bei Gott weitet sich die enge Perspektive unseres kurzen Lebens.

Strophe 8, Windsbacher Knabenchor

Die alte Dame, mit der ich gesprochen haben, sieht es ähnlich. 95 Jahre Lebenserfahrung hat sie – und ganz viel Gottvertrauen. Auch sie hat Krieg und Leid erlebt. Und sie sagt: Das Leben ist so kurz. Wenn wir das öfter bedenken würden, würden wir viel unnötigen Streit und Ärger vermeiden. Und dem Guten mehr Raum geben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38668
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