Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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»Die heilgen drei König’ mit ihrem Stern, sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern.« Goethe (1749-1832) hat das gesagt. Ein bissiger Spruch. Ein Spruch, der so gar nicht zu den Heiligen Drei Königen passt. Denn von Essen, Trinken und Bezahlen ist in der Bibel nicht die Rede. Geschweige denn davon, dass die drei ihre Zeche prellen würden.
Goethe hatte allerdings nicht die biblischen Könige im Sinn, als er seinen Spott-vers schrieb. Der Dichter nahm die Sitten seiner Zeit aufs Korn. Denn im 17. Jahrhundert kam das bis heute bekannte Dreikönigssingen auf. Vor allem die bettelarmen Studenten zogen als Könige verkleidet durch die Straßen. Feierten eine Art nachweihnachtliche Fasnet. Klingelten an Häusern, betteln um Brot und Geld. Doch damit nicht genug. Das Dreikönigssingen endete zumeist im Gast-haus. Die Studenten hatten oft nichts Besseres zu tun, als das erbettelte Geld in Bier umzusetzen. Dabei ging es selten zivilisiert zu. Wüste Gelage waren an der Tagesordnung. Zechprellerei inklusive. Darüber beschwerte sich sogar der Rat der Stadt Köln 1736 offiziell bei der Universität. Daher Goethes Spott: »Die heilgen drei König’ mit ihrem Stern, sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern.«
1949 wurde der längst vergessene Brauch des Dreikönigsingens neu belebt. Seit-dem ziehen wieder verkleidete Könige durch die Straßen. Wieder klingen sie an Häusern und bitten um eine Spende. Aber statt Studenten bitten jetzt Kinder um Geld. Geld, das sie bestimmt nicht in der Kneipe umsetzen wollen. Sondern das sie wie die Könige vor 2000 Jahren als Geschenk weitergeben. An Kinder, die am Rande stehen, die kaum Überlebenschancen haben, die keine Schule und keine Ausbildung haben.
Vielleicht klingeln die Sternsinger in diesen Tagen auch bei Ihnen. Singen von den drei Königen und freuen sich über Ihre Spende. Seien sie gewiss: Mit den Sternsingern von heute wäre auch Goethe einverstanden gewesen.

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