SWR3 Gedanken

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26OKT2023
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Muss jeder mal nach Auschwitz?

Diese Frage diskutiere ich mit meinem Mann. Er sagt ja, ich bin mir nicht sicher. Mein Mann war eine ganze Woche lang dort, ich noch nie. Er hat dort einen Pfarrer getroffen, der schon seit 25 Jahren in Auschwitz lebt. Er begleitet Gruppen, die die KZ-Gedenkstätte besuchen. Der Pfarrer heißt Manfred Deselaers. Er hat meinem Mann erklärt, dass er viel lernen kann, wenn er eine Zeit lang in Auschwitz ist und diesen Ort aushält. Mein Mann hat es gemacht. Er ist vor dem riesigen Haufen von Brillen gestanden, er hat die Berge von Haaren betrachtet und ist auf dem großen Platz in der Mitte gestanden, mitten in Auschwitz.

Wirklich, ich weiß nicht, ob ich das alles schaffen würde. Mir kommen schon die Tränen, wenn er mir nur davon erzählt.

Der Pfarrer Manfred Deselaers erklärt, wie man es schaffen kann in Auschwitz. Er sagt: „Man muss immer anfangen mit Schweigen. Man muss hören auf die Stimme der Erde. Das sagt man so in Polen.“ Und dann hat er meinem Mann noch erklärt, dass man von Auschwitz nicht deprimiert weggehen muss. Sondern dass ein Auftrag von diesem Ort ausgeht, der Mut machen kann. Eigentlich für die ganze Welt. Und deswegen ist es so wichtig, wenn immer weiter ganz viele dorthin fahren. Der Pfarrer sagt: „Auschwitz ruft jedem zu: Glaubt daran, dass sich Liebe lohnt. Dass sich Barmherzigkeit lohnt. Dass es nicht umsonst ist, die Welt menschlicher zu machen.“ 

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