SWR4 Abendgedanken

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11OKT2023
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Die stabile Seitenlage. Die hab ich neulich beim Erste Hilfe Kurs wieder gelernt. Und dazu hat die Trainerin eine Geschichte über ein ganz besonderes Gesicht erzählt. Und zwar über das Gesicht der Puppe, an denen wir die Wiederbelebung geübt haben. Diese Puppen tragen alle die Gesichtszüge einer unbekannten jungen Frau. Sie war Ende des 19. Jahrhunderts in der Seine in Paris ertrunken. Der Arzt, der ihren Leichnam untersucht hat, war von ihrem Aussehen so angetan, dass er eine Totenmaske, also einen Abdruck ihres Gesichts, gemacht hat.

Ich finde das schaurig, dass jemand das Gesicht einer fremden Toten kopiert. Aber die Geschichte geht ja noch weiter: Etwa 60 Jahre später haben zwei Ärzte Puppen zum Üben der Herz-Lungen-Wiederbelebung entwickelt und entschieden, diesen Puppen das Gesicht der unbekannten jungen Frau zu geben. Das ist es bis heute. Aus einer ursprünglichen Totenmaske wurde eine „Lebensmaske“. Ein Gesicht, an dem man lernt, Leben zu retten.

Tod und Leben können sich so nahe kommen. Das hab ich ganz persönlich letztes Jahr im Sommer erlebt. Da ist überraschend mein Vater gestorben und nur ein paar Tage später ist meine Nichte zur Welt gekommen. In mir haben sich beide Gefühle überlagert: die Trauer, dass mein Vater nicht mehr da ist und mir unendlich fehlt. Und gleichzeitig die Freude über die neue Erdenbürgerin. Dadurch war mein Schmerz nicht weg, aber ich hab in mir eine Weite gespürt und obwohl ich auch so traurig war, eine neue Perspektive bekommen.

Für mich ist das ein wichtiger Teil der christlichen Botschaft: Tod und Trauer werden nicht weggelächelt oder ignoriert. Sie sind Teil unseres Lebens und solche schweren Erfahrungen prägen und beschäftigen einen oft jahrelang. Und gleichzeitig glaube ich, dass da mehr ist. Dass es viele Gründe gibt, sich zu freuen, zu hoffen und zu lachen. Darin steckt so viel Leben. Auch für Jesus waren beide Seiten wichtig: Er war für die da, die traurig waren. Und er war gern in Gesellschaft und ist mit einem tiefen Vertrauen auf Gott durchs Leben gegangen. Und seinen Freunden hat er am Ende sogar leibhaftig zu verstehen gegeben: Der Tod ist nicht das Ende, sondern ein Teil des Lebens. Und das letzte Wort hat das Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38544
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