SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

09OKT2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Als Religionslehrer gehe ich gerne raus mit meiner Klasse. Vor allem dann, wenn am Ende einer Schulstunde noch ein bisschen Zeit übrig ist. Dann nehme ich immer ein paar Jonglierbälle mit. Ich kann überhaupt nicht jonglieren, aber gemeinsam klappt‘s. Die Jungs und Mädchen stellen sich im Kreis auf und dann fängt eine an. Zum Beispiel Marie. Marie ruft laut „Robin“ und wirft dann gleich den Ball zu ihm. Dann ruft Robin „Karla“ und so fliegt der Ball weiter bis ihn alle einmal hatten. Bei der nächsten Runde werfen sie ihn wieder in derselben Reihenfolge. Irgendwann geb ich noch einen zweiten oder dritten Ball dazu und manchmal auch einen in umgekehrter Richtung. Das Spiel heißt „Gruppenjonglage“, macht richtig Spaß und die Kinder lernen auch was Wertvolles dabei.

Nämlich dass es darauf ankommt, dass ich aufmerksam für die anderen bin. Dass wir einander beim Namen nennen, gut zuhören und Blickkontakt herstellen. Dass wir uns konzentrieren und aufeinander einstellen. Man kann so einen Ball vorsichtig und gezielt werfen – dann kann der andere ihn gut fangen. Oder man kann mit viel zu viel Schmackes schleudern, dann hat der Fänger keine Chance und die ganze Gruppe kommt durcheinander. Und wenn mal ein Ball runterfällt: Fängt dann eine einen Streit an oder schaffen wir es, darüber zu lachen und neu anzufangen?

Was bei der Gruppenjonglage gelingen kann, lässt sich auch prima auf Gesellschaft oder Kirche übertragen. Wenn es da so ähnlich zugeht, dann freut mich das. Vermutlich, weil es mich an das erinnert, was Jesus vor zwei Jahrtausenden schon vorgelebt hat: Wir sind eine Gemeinschaft, in der es auf jede und jeden ankommt. Und wenn unser Miteinander in Balance sein soll, ist es wichtig, dass wir gut aufeinander schauen und uns nicht mit Gewalt Dinge zumuten oder an den Kopf werfen. Es ist schöner, wenn ich mit dem, was der andere mir sagt oder gibt, auch umgehen kann. Nur so kann ich es auch annehmen.

Und genau wie bei der Gruppenjonglage: Es funktioniert alles viel besser, wenn wir mit offenen Augen miteinander umgehen und möglichst niemand aus dem Blickfeld gerät. Dann fühlen sich Menschen gesehen. Und wenn was schief geht: Ich muss nicht gleich den Verantwortlichen kritisieren und nur noch seinen Fehler sehen, schon gar nicht, wenn er aus Versehen passiert ist. Besser über Missgeschicke zusammen lachen und es dann mit neuem Schwung nochmal probieren. Wo das im Alltag gelingt, geht es herzlicher zu und wir können eine ganze Menge Bälle gleichzeitig jonglieren.

Benjamin Vogel aus Freiburg von der katholischen Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38542
weiterlesen...