Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12OKT2023
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Auf Facebook entdecke ich den Post einer ehemaligen Schülerin: „Mutter zu sein ist das Schönste auf der Welt!“ Diese Aussage berührt mich. Denn dass ausgerechnet diese junge Frau das einmal schreiben würde, hätte ich nie gedacht. Von ihr war mir ein ganz anderer Satz in Erinnerung geblieben. Den hatte sie in einer Religionsstunde rausgehauen, in der achten Klasse: „Ich habe Angst, dass ich auch mal meine Kinder schlage!“

In der Austauschrunde zu Beginn war das. Da dürfen alle sagen, wie es ihnen geht. Die meisten haben an diesem Morgen von ganz normalen Alltagssachen erzählt. Aber aus dieser Schülerin ist es richtig herausgebrochen: „Ich habe Angst, dass ich auch mal meine Kinder schlage!“

Der Satz war ein Hilferuf. Im Blick auf sich selbst – und auch die Zukunft. Dieses Mädchen muss gespürt haben: Was meine Eltern mir antun, das prägt mich ganz tief. Das bohrt sich ein in mein Fühlen, Denken, Handeln. So dass ich möglicherweise eines Tages vom Opfer selbst zur Täterin werde. In der Familientherapie ist das längst bekannt, viele Statistiken erzählen davon, dass Menschen in ihren Strukturen gefangen sind und manchmal selbst nicht anders handeln können. Und vielleicht findet sich diese dunkle Wahrheit sogar schon in der Bibel. Da heißt es mal: Gott „sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied“ [2. Mose 34,7b; BasisBibel].

Wenn Menschen Unrecht an andere weitergeben – ist daran auch Gott beteiligt? Diese Behauptung finde ich erst mal beklemmend. Und auch gefährlich. Menschen bleiben doch verantwortlich für das, was sie tun!

Aber wir haben eben nicht alles im Griff. Und dann hilft mir der Gedanke, dass auch das größte Unrecht nicht einfach so passiert. Sondern sich zumindest ein Stückweit einordnen lässt.

Außerdem erzählt dieser Bibelvers zuerst noch etwas anderes. Nämlich, dass „Gott Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde“ [2. Mose 34,7a; BasisBibel]. Dieser Einstieg ist für mich das Entscheidende. Und ich verstehe das so, dass Menschen ausbrechen können aus ihren Verstrickungen. Gott sei Dank gibt es da viele Möglichkeiten, nicht zuletzt therapeutischer Art.

Auch die Achtklässlerin hat damals Hilfe bekommen. Es gab Fachleute an der Schule, die über Jahre mit ihr gearbeitet und sie begleitet haben. Und sie konnte dann bald ausziehen zu Hause, ist in ein neues Umfeld gekommen. Ich bin sicher, dass sie heute eine liebevolle Mutter ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38537
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