SWR3 Gedanken

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05OKT2023
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Mit dem Hund bin ich auf den Wegen zwischen den Schrebergärten unterwegs. Ein Garten gefällt mir besonders gut: An dem kleinen verschlossenen Tor ranken sich Kletterrosen. Und drinnen steht so eine süße Holzhütte mit einer hübschen Bank. Wer da sitzt, kann auf die vielen Blumenbeete schauen. Oder in den Himmel. Oder sich eine Brombeere holen. Oder einfach sein.

Heute steht eine ältere Frau vor dem Tor und schließt es auf. Ich bleibe stehen und sage: „Sie haben den schönsten Garten hier.“

Sie strahlt mich an und erzählt. Dass sie so gerne in diesem Garten ist. Dass darin auch so viele Erinnerungen gespeichert sind an die Zeit, als ihr Mann noch lebte. Und dass sie diesen Garten möglichst vielen zugänglich machen will.

Und im nächsten Moment vertraut sie mir schon an, wo sie den Schlüssel am Tor versteckt. Damit ich auch rein und jederzeit auf der hübschen Bank sitzen kann.
„Kommen Sie gerne“, sagt sie, „auch mit Freundinnen. Oder am Abend. Wann Sie mögen.“ Was für ein Vertrauen. Dabei weiß sie noch nicht einmal meinen Namen.
Eine Bitte hat sie noch: „Wenn Sie da waren, schreiben Sie mir doch ein Zettelchen und lassen Sie es auf der Bank. Ich freue mich, wenn ich es finde.“

Das mache ich. Irgendwann gehe ich hin, hole den Schlüssel aus dem Versteck, öffne das Tor mit den Kletterrosen und setze mich auf die Bank. Und schaue auf die Blumen. Oder in den Himmel. Oder ich hole mir eine Brombeere. Oder ich sitze einfach da und atme. Und dann schreibe ich einen Zettel: „Vielen Dank, dass Sie Ihr Paradies mit mir teilen. Sie sind ein Engel!“

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